Als „Hartz IV Betrüger“ wurde ein Mann aus Lahnstein (Rhein-Lahn-Kreis) über eine lange Zeit abgestempelt, da das Sozialgericht Koblenz ihn zur Rückzahlung von scheinbar zu Unrecht erhaltenen Leistungen in Höhe von 74.163,62 Euro verurteilt hat. Das Urteil wurde zwei Jahre später schließlich vom LSG Rheinland Pfalz zu Gunsten des Mannes aufgehoben, so dass der Mann das Geld jetzt behalten darf.
Streit um angemessene Wohnfläche
Wie die „Rhein-Lahn-Zeitung“ berichtet, lebte der betroffene Mann in einem Einfamilienhaus, von welchem er Teile vermietet hatte. Beim Streit mit dem Jobcenter ging es um die Angemessenheit der Immobilie. Zwar ist selbst genutztes Eigentum geschützt, jedoch darf dieses nicht zu groß sein. Das Jobcenter schätzte die Gesamtfläche der Immobilie schließlich als unangemessen ein.
Angegeben waren durch den Besitzer 100 Quadratmeter Gesamtwohnfläche. Im Jahre 2004 erklärte er in seinem Antrag, dass er 73,72 Quadratmeter selbst bewohne und zusätzlich 25,15 Quadratmeter vermietetet hätte. Die Kellerräume gab er mit 0 Quadratmetern an, da es keine bewohnte Fläche war. Die beantragten Leistungen nach SGB II wurden dem Mann daraufhin vom Jobcenter bewilligt inklusive KdU (Kosten für Unterkunft und Heizung) in Höhe von 514,52 Euro.
Sozialgericht fordert Rückzahlung von über 74.000 Euro
Das Haus galt zum Zeitpunkt der Antragstellung als Schonvermögen, denn nach Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit aus dem Jahre 2005 sei eine Wohnfläche bei Einfamilienhäusern bis zu 130 Quadratmetern für angemessen zu beurteilen. Ein neueres Urteil des Bundesgerichtshof aus dem Jahr 2007 besagt hingegen, dass für Einfamilienhäusern mit bis zu zwei Bewohnern eine Wohnfläche von nur noch 90 Quadratmetern als angemessen gelte.
Das Sozialgericht Koblenz stützte sich auf das neuere Urteil von 2007, wonach dem Mann Leistungen für eine unangemessen große Gesamtwohnfläche gezahlt wurden und verurteilte ihn schließlich zur Rückzahlung der über die Jahre zu Unrecht erhaltenen Leistungen in Gesamthöhe von 74.163,62 Euro.
LSG: Keine grob fahrlässige Unkenntnis
Das Landessozialgericht erklärte zwei Jahre später im Berufungsverfahren hingegen, dass von dem Leistungsbezieher nicht zu erwarten sei, dass er „die fehlende Übereinstimmung des Verwaltungsaktes mit dem geltenden Recht erkennt“. Demnach sei dem Mann keine grob fahrlässige Unkenntnis zu unterstellen, auch wenn zusätzlich die Kellerräume auf 29 Quadratmeter vom Gutachter geschätzt wurden anstatt wie angegeben 0 Quadratmeter.
Eine Rückzahlung der über 74.000 Euro muss der Hartz IV Empfänger aus Lahnstein nun nicht mehr befürchten. Die außergerichtlich entstanden Kosten muss das Jobcenter ihm erstatten.
Anmerkung der Redaktion: Aktenzeichen wird zeitnah nachgetragen.
Vorinstanz: Sozialgericht Koblenz, Urt. v. 27.04.2017, Az. S 14 AS 656/15
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