Wenn in den Medien von Sozialbetrug die Rede ist, schließt sich die Bevölkerung schnell zu einer Gesellschaft der Richter und Henker zusammen. Man verurteilt den Schuldigen und kritisiert das „viel zu gutgläubige“ System – Im Fall von hunderttausenden Minderjährigen wäre dieses Urteil jedoch mehr als ungerecht.
274 Millionen Euro schulden
Hunderttausende Minderjährige sollen über Jahre zu hohe Beiträge aus Sozialleistungen erhalten haben. Dabei handele es sich maßgeblich um Hartz IV Leistungen oder Kindergeld. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion hervor. Insgesamt sollen 743.000 Jugendliche dem Staat 274 Millionen Euro schulden. Die Bundesagentur für Arbeit fordert diese Summe zurück.
Kinder oft nicht verantwortlich
Besonders traurig: In den meisten Fällen können die Kinder nichts für ihre angehäuften Schulden. Die überhöhten Sozialleistungen können sich beispielsweise ergeben, wenn Kinder einen Nebenjob annehmen und damit ihr eigenes Geld verdienen. Übersteigt der Verdienst aus Ferienjobs und Co. eine bestimmte Grenze, müssen die Eltern diesen Zuverdienst in einem Änderungsbescheid angeben. Kommen sie dieser Auskunftspflicht gegenüber dem Jobcenter nicht nach und begleichen die Überzahlungen nicht rechtzeitig, fordere die Bundesagentur für Arbeit diese Summen von den Kindern zurück, so die FDP.
Haftungsbeschränkung schützt Kinder
Die Betroffenen haben allerdings die Möglichkeit, eine Haftungsbeschränkung für ihre Zeit als Minderjährige gelten zu machen. Dadurch erklären sie, dass nicht sie selbst, sondern ihre Eltern für die Schulden verantwortlich sind. Leider sind sich nur die Wenigsten dieser Option bewusst. Für FDP-Politikerin Judith Skudelny muss sich etwas ändern: „Statt pauschal Forderungen geltend zu machen, sollten im begründeten Fall Schulden auf die Eltern übertragen werden. Die Forderung ist bei den Kindern einfach nicht richtig, da in der Regel nicht die Kinder schuld sind, sondern die Eltern“, so Skudelny gegenüber der dpa. Seitens der Bundesregierung heißt es dazu nur: „Die Bundesagentur für Arbeit erarbeitet hierzu gegenwärtig eine technische Lösung.“
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