Die Enttäuschung dürfte groß sein. Denn die Hoffnung, dass mit dem Bürgergeld ein Ende der Sanktionen einhergeht, muss begraben werden. Der Referentenentwurf für das Bürgergeld-Gesetz erlaubt den Jobcentern nach wie vor, die Grundsicherung um bis zu 30 Prozent zu kürzen. Diesbezüglich ändert sich im Vergleich zu Hartz IV also nichts. Der zweite entscheidende Punkt, die Höhe der Regelsätze, ist noch offen.
Inhaltsverzeichnis
Einfach und digital zugänglich
Worauf sich Hartz IV Bedürftige einstellen müssen und was Antragsteller beim künftigen Bürgergeld erwartet, erklärt der Referentenentwurf auf 125 Seiten. Eines der Ziele:
„Das Bürgergeld soll einfach und digital zugänglich sein.“
Zukunftsfeste soziale Sicherung
Das Hartz IV System wird im Entwurf als „leistungsfähig und flexibel“ bezeichnet. Gleichwohl habe sich gezeigt, „dass eine grundlegende Weiterentwicklung nötig ist, um die soziale Sicherung in Deutschland zukunftsfest aufzustellen“. Dabei gehe es um Respekt, Chancen, soziale Sicherheit und den Abbau bürokratischer Belastungen.
Die Linke zum Bürgergeld: Hartz IV Bedürftige werden veräppelt
Chancengleichheit und Teilhabe
Betroffenen soll mehr Chancengleichheit und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden. Dazu sei ein Sozialstaat nötig, der Menschen ermutige, ihre Potenziale zu entwickeln. Denn: Der Arbeitsmarkt befinde sich in einer guten Verfassung. Langzeitarbeitslose hätten davon jedoch nicht profitiert.
Fokus liegt auf Qualifizierung
Daher werde der Fokus beim Bürgergeld künftig noch stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und die Arbeitssuche gelegt. Dafür soll auf Augenhöhe gearbeitet, eine Vertrauenskultur geschaffen und die Leistung jedes einzelnen noch besser anerkannt werden. Wie das funktionieren soll, erklärt der Referentenentwurf Punkt für Punkt.
Karenzzeiten und Freibeträge
Um sich besser auf die Arbeitssuche konzentrieren zu können, greift eine zweijährige Karenzzeit für Wohnen und Vermögen. Das heißt: Es gelten höhere Freibeträge bei der Vermögensprüfung. Generell soll die Prüfung entbürokratisiert werden. Auch Schüler, Studierende und Auszubildende sollen von höheren Grundabsetzbeträgen profitieren.
Kooperationsplan und Vertrauenszeit
Die Basis für die Zusammenarbeit von Hartz IV bzw. Bürgergeld-Bedürftigen und dem Jobcenter bildet künftig der Kooperationsplan. Hier gilt eine sechsmonatige Vertrauenszeit, in der keine „Anordnung von Maßnahmen mit Rechtsfolgebelehrung“ ergeht. Oder einfacher ausgedrückt: Sanktionen sind während dieser Vertrauenszeit weitgehend ausgeschlossen.
FDP blockiert Hartz IV Neuberechnung
Sanktionspläne – bis zu 30 Prozent Minderung
Nach dem ersten halben Jahr dürfen die Jobcenter dann wieder den Rotstift zücken, wobei sich der Entwurf nach eigenen Angaben strikt an die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuregelung hält. Es gilt:
„Leistungsminderungen wegen wiederholter Pflichtverletzungen und Meldeversäumnisse betragen höchstens 30 Prozent des maßgebenden monatlichen Regelbedarfs. Kosten der Unterkunft und Heizung werden nicht gemindert.“
Jobcenter sollen aufsuchend beraten
Werden die Mitwirkungspflichten nachträglich erfüllt, sollen die Leistungsminderungen aufgehoben werden. Zudem hat künftig jeder die Möglichkeit, die Umstände zu erklären. Werden die Pflichten weiterhin verletzt, „soll das Jobcenter sie (die Leistungsberechtigten) aufsuchend beraten“.
Kein Vermittlungsvorrang mehr
Ein weiterer Baustein: Der Vermittlungsvorrang wird abgeschafft, um die Chancen auf eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt zu verbessern. In dem Zusammenhang werden auch ein monatliches Weiterbildungsgeld und ein Bürgergeldbonus für die Teilnahme an Maßnahmen für eine nachhaltige Integration gewährt.
Enorme Kosten durch die Hartz IV Reform
Die Kosten für den Umstieg von Hartz IV zum Bürgergeld werden im ersten Jahr mit 649 Millionen Euro beziffert, von denen die Kommunen 54 Millionen Euro tragen. Bis 2026 steigen die Mehrausgaben auf 1,666 Milliarden Euro jährlich und summieren sich auf insgesamt 4,498 Milliarden Euro in den Jahren 2023 bis 2026.
Was ist mit den Regelsätzen?
Der Referentenentwurf hat positive Züge – zumindest auf dem Papier. Denn Zusammenarbeit auf Augenhöhe lässt sich zwar leicht definieren, aber oft nur schwer umsetzen. Und solange keine Zahlen zu den Regelsätzen auf dem Tisch liegen, bleibt man die wichtigste Antwort zum Bürgergeld schuldig.
Angesichts der bisherigen Äußerungen des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil (SPD), Bürgergeld um etwa 40 bis 50 Euro zu erhöhen, kann man eh nicht von großen Sprüngen beim Regelsatz ausgehen, zumal die Koalitionspartner Grünen mit etwa 50 Euro einverstanden sind und die FDP gar keine Neuberechnung will.
Bürgergeld-Gesetz Referentenentwurf – Stand 21. Juli 2022
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