In den vergangenen Wochen wurde bekannt, dass der Hartz IV Regelsatz von aktuell 432 Euro im kommenden Jahr steigen soll. Zunächst war eine Erhöhung auf 439 Euro angedacht, die dann später auf 446 Euro korrigiert wurde. Nachdem der Entwurf zum Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) veröffentlicht wurde, hagelte es Kritik von allen Seiten. Die Regierung rechne den Hartz IV Regelsatz bewusst klein, so die Einschätzung von Sozialverbänden sowie Linken und Grünen.
Linke rechnet Hartz IV Regelsatz ohne statistische Tricks
Ohne die Kleinrechnerei müsse sich der Hartz IV Regelbedarf (und andere Grundsicherungen) auf mindestens 658 Euro plus Stromkosten belaufen, so Katja Kipping – sozialpolitische Sprecherin der Linken – in einer Pressemitteilung vom 16. September 2020. Inklusive Strom müsste der Hartz IV Regelbedarf für einen Ein-Personen-Haushalt bei 697,28 Euro monatlich liegen.
„Wenn man nur die offensichtlichsten Rechentricks der Bundesregierung eliminiert, liegt der Regelbedarf bei Hartz IV und anderen Formen der Grundsicherung für 2021 bei 658 Euro plus Stromkosten. Sozialminister Hubertus Heil muss endlich aufhören, die Regelsätze gezielt kleinzurechnen und Menschen dadurch in Armut und Vereinsamung zu treiben“,
Katja Kipping in Pressemitteilung vom 16.09.2020
Kipping hat zwei wesentliche Kritikpunkte bei der Ermittlung des Regelbedarfs. Zum einen wird ihrer Ansicht nach die falsche Referenzgruppe herangezogen. Für die Ermittlung des Regelsatzes werden die unteren 15 Prozent der Bevölkerung, gemessen am Einkommen, herangezogen. In dieser Referenzgruppe sind aber auch arme Menschen, die womöglich verschuldet und materiell unterversorgt sind und darüberhinaus über so wenig Erwerbseinkommen verfügen, dass sie selbst mit Hartz IV Leistungen aufstocken müssten. Diese Gruppe gliedert sich nach ihren Erkenntnissen folgendermaßen auf:
- 27,2 % Erwerbstätige
- 40% Rentner
- 19,1% Studierende
- 13,7% Nichterwerbstätige
Um die Einkommens und Verbrauchssituation realistischer für die Regelbedarfsermittlung zu berücksichtigen schlägt die Linken-Politikerin vor, u. A. die unteren 20 Prozent nach Einkommenssituation als Referenzgruppe heranzuziehen.
Der zweite Kritikpunkt bezieht sich auf die Abschläge bei der Regelbedarfsermittlung, also die Beträge, die der Gesetzgeber nicht als bedarfsrelevant ansieht. Durch die Kürzung dieser Ausgaben werde der Regelsatz um 150 bis 180 Euro reduziert. Darunter fallen beispielsweise Ausgaben für Kraftfahrzeuge, Alkohol und Zigaretten, Bewirtungskosten außer Haus, Blumen, Tierfutter oder auch die chemische Reinigung von Kleidungsstücken – alles Ausgaben, die allen Bürgern entstehen, jedoch beim Hartz IV Regelsatz nicht als bedarfsrelevant angesehen werden.
Darüber hinaus sollen die Kosten für Strom über die Kosten der Unterkunft und Heizung komplett gezahlt werden und Bedürftige für „Weiße Ware“ wie Kühlschränke oder Waschmaschinen einen entsprechenden Mehrbedarf erhalten.
Höherer Regelsatz würde 28 Milliarden Euro kosten
Hochgerechnet würde eine Erhöhung des Hartz IV Regelbedarfs auf den durch Katja Kipping und die Linke ermittelten Betrag gut 28 Milliarden Euro kosten. Um nicht in Konkc urrenz zu Beschäftigten auf Mindestlohnbasis zu stehen, müsse der Mindestlohn angehoben werden, so Kipping auf kritische Stimmen zu ihrer Berechnung.
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