Der Wunsch, dass die Ampelkoalition den Hartz IV Sanktionen ein Ende bereitet, erfüllt sich nicht. Zwar haben die Corona-Pandemie und ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Jahr 2020 für einen spürbaren Rückgang der Sanktionen gesorgt. Mittlerweile steigt die Zahl derer, denen die Hartz IV Leistungen gekürzt werden, aber wieder sukzessive an. Und ab dem kommenden Jahr soll den Jobcentern dann wieder eine umfangreiche Klaviatur an (Straf-)Maßnahmen zur Verfügung stehen.
Rückblick: Richterspruch setzt Sanktionen aus
Corona hatte dafür gesorgt, dass die Jobcenter geschlossen blieben und Termine hauptsächlich online oder telefonisch vereinbart wurden. Nahm man diese Termine nicht wahr, kam es nicht zu Sanktionen. Denn diese Beratungstermine werden laut Bundesagentur für Arbeit „ohne Rechtsfolgen verschickt“. Das ist einer der Gründe, warum die Statistik weniger Leistungskürzungen listet.
Der zweite Grund: Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 5. November 2019 (Az.: 1 BvL 7/16) zur Sanktionspraxis der Jobcenter. Die Richter hatten einige Sanktionsregeln bei Hartz IV als nicht verhältnismäßig kritisiert und betont, „dass wegen wiederholter Pflichtverletzungen eine Minderung der Regelbedarfsleistungen nicht über 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs hinausgehen darf“.
Geplant: Sanktionsreform für 2023
Die Politik folgte dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und plant Reformen, die ab 2023 greifen sollen. Erst vor ein paar Wochen noch hat man sich darauf verständig, bis zum Jahresende weitgehend auf Hartz IV Sanktionen zu verzichten. Lediglich Hartz IV Bedürftigen, die nicht zu Terminen im Jobcenter erscheinen, werden die Leistungen auch weiterhin gekürzt.
Derlei Hartz IV Sanktionen wurden im vergangenen Jahr 193.729 Mal ausgesprochen (plus etwa 23.000 im Vergleich zu 2020). Damit ist die Zahl der von den Jobcentern verhängten Strafen noch weit hinter dem Vorpandemie-Niveau. 2019 wurden knapp 807.000 Minderungen der Hartz IV Leistungen verhängt. Dabei lag die durchschnittliche Leistungskürzung bei 14,9 Prozent respektive 94 Euro monatlich.
BA begrüßt Reform der Sanktionen
Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, begrüßt die Reform der Sanktionen. Denn es brauche „eine Handhabe gegen die kleine Gruppe, die sich sonst entzieht“, betonte er. Anderenfalls verliere man den Kontakt zu den Betroffenen und können ihnen nicht mehr helfen.
Vor allem aber: Die überwiegende Mehrheit der Hartz IV Bedürftigen komme niemals mit den Sanktionen in Berührung, so Scheele. Schließlich sei es „für unsere Arbeit kontraproduktiv, die Miete zu kürzen oder Jugendliche anders zu behandeln, als Erwachsene“. Der BA-Chef hält es darüber hinaus für wichtig, „besondere Härten berücksichtigen und Sanktionen vorzeitig beenden zu können“.
Kritik des Wohlfahrtsverbandes
Die Äußerungen von Detlef Scheele stoßen beim Paritätischen Wohlfahrtsverband auf Kritik. Die Kürzungen seien „weder sachgerecht noch zielführend“ und müssten daher ganz abgeschafft werden. Denn, so der Verband: „Sie sind […] nicht mit unserer Verfassung vereinbar.“
„Es wird höchste Zeit, dass wir diese antiquierte Rohrstockpädagogik aus dem vorletzten Jahrhundert überwinden und zu einem den Menschen zugewandten sanktionsfreien Hilfesystem gelangen“,
fordert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes.
Schlechtes Signal
Für ihn ist das Vorhaben der Politik, die Hartz IV Sanktionen beizubehalten, absolut unverständlich. „Statt des versprochenen Sanktionsmoratoriums hat die Ampel eine echte Mogelpackung vorgelegt, ein ernüchterndes und schlechtes Signal für den Umgang mit den Ärmsten in unserer Gesellschaft“, sagt Schneider.
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