Im November 2019 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Sanktionen von über 30 Prozent des Regelsatzes verfassungswidrig seien – FDP, Grüne und der Deutsche Gewerkschaftsbund pochen nun auf eine Umsetzung des Urteils in Form eines Gesetzestextes.
Stand 1 Jahr nach Sanktionsurteil
Über ein Jahr ist es her, dass das Verfassungsgericht die knallharten Sanktionsmöglichkeiten für Hartz IV Empfänger deutlich eingeschränkt hat. Mit ihrem weitreichenden Urteil vom 04. November 2019 (Az.: 1 BvL 7/16) erklärten die Karlsruher Richter die Praxis der Vollsanktionen für verfassungswidrig und stellten ein für alle Mal klar: Leistungskürzungen von über 30 Prozent des Regelbedarfs sind nicht mit der Verfassung vereinbar. Doch bis heute bleibt die Bundesregierung eine Umsetzung des Urteils schuldig.
Kritik an Sanktionspraxis
Arbeitsminister Heil nannte das Urteil seiner Zeit eine Chance, „in dieser Koalition das gesamte System bürgerfreundlicher zu machen und zu reformieren“ – ohne Umsetzung des Urteils blieb diese Chance bisher ungenutzt.
Unterdessen wächst der Druck auf die Bundesregierung. Die Grünen, FDP und der DGB fordern die versprochenen Veränderungen ein. Sven Lehmann empfindet die derzeitigen Regelungen als völlig unverständlich:
„Dass die Jobcenter immer noch angehalten sind, Sanktionen bei Meldeversäumnissen oder Pflichtverletzungen zu verhängen, ist absurd“.
Es müsse dringend ein Sanktionsmoratorium bis zur gesetzlichen Neuregelung verhängt werden, so der Grünen-Sozialexperte gegenüber der dpa.
Dazu: Trotz Urteil: Über 50.000 Hartz IV Sanktionen wegen Meldeversäumnissen
Gesetzgeber darf Sanktionen nicht auf lange Bank schieben
Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes Anja Piel sieht Sanktionen vor dem Hintergrund der ohnehin schon zu knapp bemessenen Regelsätze kritisch. Durch jede Sanktion würde das Existenzminimum von Hartz IV Empfänger unterschritten. Der Gesetzgeber sei hier in die Pflicht zu nehmen, „die dringend erforderliche Gesetzesnovelle“ könne nicht mehr „auf die lange Bank“ geschoben werden, so Piel.
Kober: Arbeitsminister „fehlt jedes Interesse“ an Hartz IV Empfängern
Auch Pascal Kober, Bundestagsfraktionsmitglied der FDP, spricht sich für eine Reform des Sanktionssystems aus und kritisiert dabei vor allem Arbeitsminister Hubertus Heil – ihm fehle „jedes Interesse an Verbesserungen für die Menschen in Hartz IV“. Allerdings sei ein gänzlicher Verzicht auf Sanktionen aus seiner Sicht nicht zielführend und käme dem bedingungslosen Grundeinkommen „durch die Hintertür“ gleich.
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