Die Preisspirale dreht sich inzwischen so schnell, dass vielen Verbrauchern die Luft ausgeht. Ob Grundnahrungsmittel oder Energie: Die Kosten explodieren. Tipps wie „Esst weniger Fleisch“ von Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) bringen da herzlich wenig. Und auch das Entlastungspaket 2022 ist kaum in der Lage, den enormen finanziellen Druck von Hartz IV Bedürftigen zu nehmen. Ihnen droht, so ein Experte, spätestens mit der Stromnachzahlung eine Tragödie.
Stromkosten im Hartz IV Regelsatz
Während die hohen Lebensmittelkosten Anfang des Jahres noch nicht absehbar waren, wird schon lange auf das Problem der Energiekosten hingewiesen. Im Hartz IV Regelsatz von 449 Euro für einen Alleinstehenden sind 8,11 Prozent für Stromkosten (ohne Mehrbedarf für Warmwasser) vorgesehen, also monatlich 36,42 Euro – aufs Jahr gerechnet 437,04 Euro.
Laut Vergleichsportal Check24 liegen die tatsächlichen Stromkosten jedoch bei einem Jahresverbrauch von 1.500 Kilowattstunden bei 599 Euro oder mehr in der Grundversorgung und übersteigen damit den Anteil im Hartz IV Satz um fast 40 Prozent.
Weitere 100 Euro aus dem Entlastungspaket
Nachdem Anfang des Jahres ein Corona-Zuschlag für Hartz IV Bedürftige in Höhe von 100 Euro und ein Sofortzuschlag für Kinder in Höhe von 20 Euro beschlossen wurden, sollen jetzt weitere 100 Euro gezahlt werden. Setzt man diesen Betrag in Relation zu den Mehrkosten allein beim Strom, bleibt für Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind, nicht viel vom Entlastungspaket 2022 über. Lesen Sie mehr: 100 Euro Hartz IV Zuschlag
Heizkostenzuschuss bei Wohngeld
Für Verbraucher, die Wohngeld beziehen, hat die Ampelkoalition einen Heizkostenzuschuss gebilligt. Ein Ein-Personen-Haushalt soll 270 Euro erhalten, zwei Personen 350 Euro und für jedes weitere Familienmitglied sind 70 Euro vorgesehen.
Wann und wie die Hilfen ausgezahlt werden, steht noch nicht fest. Das heißt: Es gibt Zahlen und Versprechen. Die Grundzüge des Entlastungspaketes stehen. Doch die Details lassen, wie so oft, auf sich warten. Bis dahin müssen Hartz IV Bedürftige, Niedriglöhner und viele Rentner sehen, wo sie bleiben.
Probleme sind hinlänglich bekannt
Viele dieser Probleme sind hinlänglich bekannt. Sozialverbände warnen seit Jahren, dass der Hartz IV Regelsatz an der Lebenswirklichkeit vorbei kalkuliert wurde. Die Schwächen treten angesichts der galoppierenden Inflation mit aller Gewalt ans Tageslicht. Von der Mini-Anpassung zum Jahreswechsel werden die gestiegenen Kosten nicht gedeckt.
Übersicht des Regelsatzes im Verhältnis zur Inflation
Bei den im Diagramm genannten Daten handelt es sich um die allgemeinen Preissteigerung, im März 2022 bei 7,3 Prozent. Im selben Zeitraum liegt die Inflation bei Nahrungsmitteln laut Angaben des Statistischen Bundesamtes bei 6,2 Prozent und bei den Verbraucherpreisen für Energie bei 39,5 Prozent – für Haushaltsenergie ohne Kraftstoffe bei 35,3 Prozent.
Auch die kürzlich beschlossenen Hilfen verpuffen vermutlich wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Davor warnt der Sozialdezernent der Stadt Essen, Peter Renzel. Gegenüber der Westfälischen Allgemeinen Zeitung schlägt er eine Erhöhung der Grundsicherung für Hartz IV Bedürftige von 100 Euro pro Monat vor, um die Lebensmittel- und Energiepreise besser kompensieren zu können.
Das dicke Ende kommt noch
Peter Renzel rechnet damit, dass sich die wahren Probleme erst zeigen, wenn die Nebenkostennachzahlung ansteht. „Ich habe die Sorge, dass viele dann nicht mehr können und wir in den Beratungsstellen Tragödien erleben.“ Das sei sozialer Sprengstoff, der sich nicht mit einer Einmalzahlung entschärfen lasse. Betroffen seien auch Rentner. Jene,
„die nur knapp über dem Satz der Grundsicherung oder dem Wohngeldanspruch liegen, werden von den beschlossenen Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung nicht sehr viel haben“,
sagt der Profi.
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