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Hartz IV Urteil: Wohnkostenübernahme trotz Ausbildung möglich

Frau Hände öffnen Briefumschlag Richterhammer

Auszubildende sind im Regelfall vom Hartz IV Bezug ausgeschlossen. Leben Auszubildende allerdings mit ihren Eltern zusammen, muss das Jobcenter die Kosten der Unterkunft unter bestimmten Umständen dennoch weiterhin übernehmen. Dies geht aus einem kürzlich veröffentlichten Urteil des Bundessozialgerichts vom 27. Januar 2021 hervor (Az.: B 14 AS 35/19 R).

Auszubildende verbringt Wochenenden bei Mutter

Dem Urteil lag der Fall einer Hartz IV Empfängerin aus dem Raum Ludwigshafen zugrunde. Ihre Tochter befand sich zwischen 2013 und 2015 in einer Ausbildung in einem Reha-Zentrum. Die junge Frau bezog Ausbildungsgeld und lebte in der vom Reha-Zentrum zur Verfügung gestellten Unterkunft. Die Wochenenden und Ferien verbrachte die Auszubildende in der Wohnung der Mutter, die sie auch vor der Ausbildung bewohnte.

Jobcenter kürzt Wohnkosten der Mutter

Während der Ausbildung ihrer Tochter kürzte das zuständige Jobcenter Vorderpfalz Ludwigshafen die Kosten der Unterkunft der Mutter von 500 Euro auf 250 Euro für Miete und Nebenkosten im Monat. Der Grund: Ihre Tochter würde bei der Berechnung nicht mehr berücksichtigt werden, da diese eine vom Jobcenter geförderte Ausbildung begonnen hätte. Nachdem ihr gegen den Jobcenter-Beschluss gerichteter Widerspruch abgewiesen wurde, zog die Mutter vor Gericht.

Abweichung von Kopfteilprinzip?

Die Mutter argumentierte, dass ihre Tochter ihren Lebensmittelpunkt während der Ausbildung weiterhin in ihrer Wohnung gehabt hätte. Sie könne ohne die volle Übernahme der KdU ihre Wohnkosten nicht begleichen, insofern sei eine Kürzung der Wohnkosten gemäß des sogenannten „Kopfteilprinzips“ nicht gerechtfertigt.

Das Kopfteilprinzip bezeichnet die Aufteilung der Kosten der Unterkunft entsprechend der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Personen ohne Anspruch auf Hartz IV Leistungen die Wohnung von Leistungsempfänger kostenlos mitbewohnen.

BSG: Bedarf und Lebensmittelpunkt entscheidend

Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz entschied in zweiter Instanz im Sinne des Jobcenters. Aus Sicht des Gerichts sei kein Grund für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip gegeben. Dieses Urteil wollte die Mutter jedoch nicht auf sich sitzen lassen und zog bis vor das Bundessozialgericht.

Das BSG hob das Urteil des LSG auf und stellte fest, dass das Jobcenter grundsätzlich nicht für den Wohnbedarf von Personen ohne Hartz IV Anspruch aufkommen müsse, allerdings könne im Einzelfall vom Kopfteilprinzip abgewichen werden. Dafür müssten jedoch Lebensmittelpunkt und Bedarf der Tochter eingehend geprüft werden. Dahingehend sei auch zu überprüfen, ob die Tochter gem. § 27 SGB II Anspruch auf ein Darlehen des Jobcenters habe, um damit ihre Wohnkosten zu zahlen. Komme ein Darlehen nicht in Frage, könne das Jobcenter im Härtefall verpflichtet sein, die vollen Wohnkosten zu zahlen. Da diese Umstände nicht ausreichend geprüft wurden, verwies das BSG den Fall letzten Endes zurück an das Landessozialgericht.

Verfahrensgang:

  • Sozialgericht Speyer, Urteil v. 27.04.2017, Az.: S 16 AS 1848/15
  • Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil v. 15.08.2018, Az.: L 6 AS 361/17
  • Bundessozialgericht, Urteil v. 27.01.2021, Az.: B 14 AS 35/19 R

Titelbild: Motortion Films/ shutterstock.com