In Deutschland tragen mehr als 40 Millionen Menschen eine Brille. Durch die Zunahme von Kurzsichtigkeit und anderen Fehlsichtigkeiten wird die Zahl derer, die auf Sehhilfen angewiesen sind tendenziell weiter steigen, prognostizieren Experten. Doch Brillen sind in der Regel sehr teuer und gerade für Hartz IV Empfänger nicht ohne Weiteres zu bezahlen, Anspruch auf eine Kostenübernahme besteht jedoch nicht immer. Wann muss das Jobcenter die Kosten für eine Sehhilfe übernehmen?
Verfassungsgericht forderte bereits Lösung
Nach aktueller Rechtslage ist das Jobcenter nicht in jedem Fall verpflichtet, die Kosten für eine Brille zu übernehmen. Die Kosten für die Anschaffung einer Sehhilfe sind aus dem Regelsatz zu betreiten – vorerst. Bereits im Jahr 2014 forderte das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung in einem Urteil dazu auf, eine Lösung für die Problematik auf den Weg zu bringen. Aus Sicht der Karlsruher Richter könne „eine Unterdeckung entstehen, wenn Gesundheitsleistungen wie Sehhilfen weder im Rahmen des Regelbedarfs gedeckt werden können noch anderweitig gesichert sind“ (BverfG, Urteil v. 23.07.2014, Az.: 1 BvL 10/12).
Wegweisende Urteile der Gerichte
Dem Beschluss des Verfassungsgerichtes folgten weitere Urteile deutscher Sozialgerichte. So entschieden das Sozialgericht Mainz (Urteil v. 6.12.2014, Az.: S 16 SO 8/14) sowie das Sozialgericht Frankfurt am Main (Urteil v. 22.03.2016, Az.: S 19 AS 1417/13) im Sinne der Kläger. Die Leistungsbezieher hätten durchaus Anspruch auf Kostenübernahme für eine Brille. Im ersten Fall ging es zwar um einen Kläger, der Sozialhilfe- und keine Hartz IV Leistungen bezog, dennoch sei die Entscheidung auch für Hartz IV Empfänger relevant, wies der Sozialrechtler Harald Thomé seiner Zeit an.
Mittel aus dem Vermittlungsbudget
Im zweiten Fall berief sich der Kläger auf eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget. Gemäß § 16 SGB II, § 44 SGB III hat ein Hartz IV Empfänger Anspruch auf eine Kostenübernahme seitens des Jobcenters für Förderungsmaßnahmen, um dem Betroffenen wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Dazu gehöre auch die Anschaffung einer angemessenen Sehhilfe.
Brillenreparatur ist Sonderbedarf
Diese Richtersprüche wurden im Jahr 2017 durch ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) wiederaufgenommen. Das höchste deutsche Sozialgericht entschied dabei offiziell, dass das Jobcenter zumindest die Kosten für die Reparatur einer Brille zu übernehmen habe (Urteil v. 25.10.2017, Az.: B 14 AS 4/17 R). Die Reparaturkosten einer Brille seien nicht mit dem Regelsatz zu decken.
Brille ist therapeutisches Gerät
Da es sich bei einer Brille um ein sogenanntes therapeutisches Gerät handelt, sind die mit der Reparatur verbundenen Kosten gemäß § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB II als Sonderbedarf zu behandeln und müssen zusätzlich zum Hartz IV Regelsatz geleistet werden. Allerdings ist nach aktueller Rechtslage noch nicht abschließend geklärt, ob das Jobcenter ebenfalls die Kosten für die Neuanschaffung einer Brille übernehmen muss.
Antrag auf Brille stellen
Da noch keine rechtssichere Regelung für den Anspruch auf eine Sehhilfe im Hartz IV Bezug besteht, empfiehlt es sich für Betroffene, zunächst einen Antrag auf Kostenübernahme für eine Brille zu stellen und sich darin auf die genannten Urteile zu beziehen. Da für viele Menschen eine Brille essentiell ist, um in bestimmten Berufen wieder in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, ließe sich die Bewilligung der Kostenübernahme für eine Brille unter Verweis auf sowohl § 2 SGB II als auch § 16 SGB II i. V. m. § 44 SGB II durchsetzen, bis eine einheitliche und rechtssichere Lösung gefunden ist.
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