Zum Inhalt springen

Hartz IV: Zynische Tipps statt echter Hilfe

Frau hält sich die Ohren zu

Wir rasen ungebremst auf den Abgrund zu. Doch statt das Lenkrad herumzureißen, diskutieren die drei an der Regierung beteiligten Parteien lieber. Dabei mahnen inzwischen alle – nicht nur die Sozial-, sondern auch viele Wirtschaftsverbände – eine schnelle und unbürokratische Hilfe an. Doch die lässt auf sich warten. In der Zwischenzeit dürfen sich Hartz IV Bedürftige, Rentner und einkommensschwache Haushalte weiter über Spartipps der Ampel freuen.

Ernst der Lage nicht erkannt

Inzwischen drängt sich das unangenehme Gefühl auf, die Bundesregierung nimmt die Nöte ärmerer Haushalte nicht wahr. Auch jene, denen es noch gut geht, scheinen den Ernst der Lage für Betroffene nicht erkennen zu wollen. Anders lassen sich die unangebrachten Kommentare zur Aktion #IchBinArmutsbetroffen auf Twitter nicht erklären.

300 Euro Energiepreispauschale bei Hartz IV anrechnungsfrei

Von Ratschlägen wird niemand satt

Dem Hinweis, dass mit dem Hartz IV Regelsatz eine gesunde und ausgewogene Ernährung nicht möglich ist, folgen zig Hinweise, Haferschleim sei günstig und nahrhaft. Auch aus den Reihen der Politik melden sich mit Blick auf die Energiekrise und den Zwang, zu sparen, echte Experten zu Wort.

Der Mann mit dem Waschlappen

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann zum Beispiel erklärt, man brauche keine Dusche, es reiche auch ein Waschlappen. Dem Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, platzt angesichts solcher Aussagen der Kragen. Gegenüber der „Rheinischen Post“ betonte er:

„Statt den Menschen mit zynischen Spartipps und peinlichen Diskussionen über Waschlappen den Nerv zu rauben, müssen die Ampel-Parteien zum Ende der parlamentarischen Sommerpause ein wirksames drittes Entlastungspaket vorlegen, das auch Rentner und Studierende berücksichtigt.“

Mittelschicht bricht weg

Diese Forderung müsste den Regierenden schon in den Ohren klingeln. Denn sie wird Tag für Tag von allen Seiten wiederholt. Und das aus gutem Grund: Die Menschen haben Angst. Das gilt nicht nur für Hartz IV Bedürftige. Die Sorgen nagen sich immer weiter von der Unter- zur Mittelschicht, die nach und nach wegbricht.

Die Menschen haben Angst

Diese Ängste kennt Helena Steinhaus, Gründerin des Vereins Sanktionsfrei e.V., nur zu gut. „Focus online“ erklärte sie:

„Ich habe von Betroffenen gehört, dass sie weniger kochen aus Angst vor den Strompreisen. Wenn die Jahresendabrechnungen eintrudeln, sind die bereits für viele nicht zu stemmen.“

Sorge vor Stromsperren

Damit wachsen die Sorgen vor Stromsperren, da die Stromkosten bei Hartz IV, anders als die Heizkosten, nicht zusätzlich zum Regelbedarf gezahlt werden. Strom ist mit 36,42 Euro im Hartz IV Satz für einen erwachsenen Single eingepreist. Ein Einpersonenhaushalt in Berlin zahlt aktuell jedoch mindestens 50 Euro, meist aber über 70 Euro pro Monat.

200 Euro Hartz-IV Bonus deckt Inflation bei Lebensmitteln nicht

Kein Spielraum mehr zum Sparen

Die Differenz muss an anderer Stelle gespart werden. Das gilt auch für Lebensmittel. Preise und Regelsatz driften immer weiter auseinander. Da kann man noch so sehr sparen. Irgendwann geht es nicht mehr. Diese finanziellen Nöte kennen viele Haushalte, vor allem Rentner.

Aufruf zum Sozialgipfel

Deshalb rufen mehrere Verbände und Vereine (Sozialverband VdK Deutschland, Sozialverband Deutschland (SoVD), Deutscher Mieterbund (DMB) und der Tafel Deutschland e. V.) Olaf Scholz als Bundeskanzler zu einem Sozialgipfel auf.

Verfassungswidrig: Sozialverbände klagen gegen zu geringen Hartz IV Regelsatz

Hilfe für das untere Drittel der Gesellschaft

Der Grund ist schnell erklärt: Bislang hat die Politik zwar mit Arbeitgebern und Gewerkschaften, nicht aber mit den von der Teuerung besonders Betroffenen gesprochen. Verena Bentele vom VDK mahnt daher:

„Jetzt ist es Zeit, zu handeln! Angesichts steigender Preise und einem nahenden Winter brauchen wir sofort Lösungen für das untere Drittel unserer Gesellschaft!“

Schlagwörter: