Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) sind Wasser auf die Mühlen der Bürgergeld-Kritiker. Im Juli stieg die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vormonat um 62.000 und im Vergleich zum Vorjahr sogar um 147.000. Damit liegt die Arbeitslosenquote jetzt bei 5,7 Prozent. Eine Ursache hat der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU), Dirk Pollert, ausgemacht: das Bürgergeld.
Grundsicherung setze gefährliche Anreize
Schon angesichts der Arbeitsmarktzahlen im Februar hatte Dirk Pollert klare Kante gegen das Bürgergeld gezeigt. Höhere Regelsätze und eingeschränkte Sanktionsmechanismen setzten bei Langzeitarbeitslosen gefährliche Anreize, im Leistungsbezug zu verharren. Sein Aufruf, das zu ändern, richtete sich seinerzeit an die Jobcenter.
Qualifizierungen ins Blaue hinein
Es gebe zuhauf Chancen auch für Nichtqualifizierte. Die Jobcenter müssten konsequent den Kurs auf Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt halten (was gegen den Verzicht auf den Vermittlungsvorrang verstoßen würde). Als Tipp gab er den Ämtern mit auf den Weg, notfalls mit Zuschüssen zum Arbeitsentgelt und persönlichem Coaching zu arbeiten sowie auf Ein-Euro-Jobs und auf Qualifizierungen ins Blaue hinein zu verzichten.
Langzeitarbeitslosigkeit bekämpfen
Ein halbes Jahr später wiederholt sich die Kritik.
„Das neue sogenannte Bürgergeld hinterlässt mit seinen schwächeren Arbeitsanreizen und höheren Leistungen deutliche Spuren am Arbeitsmarkt“,
erklärte Dirk Pollert. Der Trend zu weniger Langzeitarbeitslosigkeit sei pünktlich mit der Einführung des Bürgergelds gebrochen worden.
Die Probleme bestehen schon länger
Die Aussage, dass der Arbeitsmarkt durch das Bürgergeld beeinflusst werde, lässt sich jedoch kaum belegen. Laut BA-Chefin Andrea Nahles habe niemand seinen Job freiwillig gegen die Grundsicherung getauscht. Die Integration Langzeitarbeitsloser schwächelt zudem nicht erst seit Januar 2023, sondern laut Statistik auf Bundesebene bereits seit Juni 2022. Darüber hat auf buergergeld.org unter „Das Bürgergeld verleitet niemanden zur Kündigung berichtet.“
Tipps kaum umsetzbar
Die Ratschläge, wie man mit Bürgergeld Betroffenen umgehen muss, sind zwar nett gemeint, angesichts der aktuellen und künftigen Rahmenbedingungen aber nicht oder nur schwer umsetzbar. Vieles ist außerdem längst im Bürgergeldgesetz verankert, etwa das Coaching.
Das Problem ist die Finanzierung der Jobcenter und nicht das Bürgergeld. Weil in den kommenden Jahren hunderte Millionen Euro eingespart werden sollen – 2024 rund 500 und 2025 etwa 700 Millionen Euro – bleiben Langzeitarbeitslose eben auf der Strecke.
Auch an Jugendlichen wird gespart
Dieses Schicksal droht künftig auch Jugendlichen, die Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden. Um den Haushalt zu schönen, sollen alle unter 25 Jahren künftig von der Agentur für Arbeit und nicht mehr vom Jobcenter betreut werden. Oder anders ausgedrückt: Sie werden von einem zum anderen geschoben, siehe auch „Taschenspieler-Tricks zulasten Bürgergeld Bedürftiger und Beitragszahler„
Wichtig sind verlässliche Ansprechpartner
Dagegen regt sich Kritik. Betroffene bräuchten einen verlässlichen Ansprechpartner, mahnt etwa der Landrat des Landkreises Ludwigsburg, Dietmar Allgaier. Ansonsten verliere man eine ganze Generation, weil bisherige Strukturen konterkariert würden. Kurzum: Radikale Kürzungen im Sozialbereich beeinflussen den Arbeitsmarkt, nicht das Bürgergeld oder gar Bürgergeldempfänger.