Die bisherigen Reformvorschläge für das Bürgergeld basieren nahezu allesamt auf Härte, Sanktionen und Zwang. Das ifo Institut geht einen anderen Weg und möchte vor allem die Zuverdienstmöglichkeiten attraktiver gestalten. Die für das Bundeswirtschaftsministerium erarbeitete Studie für mehr Arbeitsanreize bezieht in die Überlegungen zudem das Wohngeld und die geplante Kindergrundsicherung ein. Grund: Das aktuelle System der Sozialleistungen weise „erhebliche Ineffizienzen“ auf.
Fehler im System
Der Streit um das Bürgergeld dreht sich schon lange nicht mehr um das Regelwerk, sondern vielmehr um Betroffene. Ihnen wird Faulheit vorgeworfen und deshalb mit Maßregelung bis hin zur Zwangsarbeit gedroht. Dass sich das eigentliche Problem im „System“ versteckt, geht dabei völlig unter. Wenn selbst der Sprecher für Bürgergeld in der FDP-Bundestagsfraktion, Jens Teutrine, zugibt, dass der Sozialstaat Mehrarbeit bestrafe, will das schon etwas heißen. Nur leider hat diese Stellschraube im Gegensatz zum Sanktionshammer längst Rost angesetzt.
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Zu hohe Grenzbelastung
Den Konstruktionsfehler, dass die Bemühungen um mehr Arbeitsstunden durch hohe Transferentzugsraten – die Anrechnung auf das Bürgergeld – konterkariert werden, möchte auch das ifo Institut beheben. Die Freibeträge für erwerbstätige Bürgergeldempfänger könnten deutlich erhöht werden, indem man die Anrechnungsbeträge auf 65 Prozent senkt. Aktuell liegt die Grenzbelastung teilweise bei bis zu 100 Prozent. Oder anders ausgedrückt: Mehr zu arbeiten, rentiert sich nicht. Das müsse geändert werden. Ziel: Das „Bürgergeld großzügiger als im Status quo auszugestalten“.
Bürgergeld & Nebenjob – so viel bleibt vom Zuverdienst
Wohngeld im Bürgergeld integrieren
Reformbedarf sehen die Forscher auch im Nebeneinander der unterschiedlichen Sozialleistungen. Diesbezüglich sind die Vorschläge sehr weitreichend und würden das bestehende System völlig umbauen. Konkret geht es um die Integration des Wohngeldes in das Bürgergeld bzw. in die Kosten der Unterkunft (KdU). Das ifo Institut spricht hier von einem grundlegenden Reformansatz. Im Ergebnis wären es 1,6 Millionen Haushalte mehr im Bürgergeld-System, dafür aber 1,8 Millionen weniger Wohngeldempfänger. „Man könnte das Wohngeld einfach abschaffen, das hätte die gleiche Wirkung“, so die Forscher.
Rolle rückwärts: Bürgergeld wird noch härter als Hartz IV
144.000 Vollzeitstellen
Sie weisen außerdem auf die Möglichkeit hin, Haushalte mit Kindern besserzustellen, indem die Anrechnung des Einkommens auf den Kinderzusatzbetrag (ein Baustein der Kindergrundsicherung) gesenkt wird. Ausschlaggebend sind letztlich aber die Wohngeldintegration in das Bürgergeld und die niedrigen Anrechnungsbeträge. Diese Reformkombination würde viele Probleme beseitigen und viele (nicht alle) Haushalte besser stellen. Vor allem aber würde das System der Grundsicherung einfacher und transparenter. Positiver Nebeneffekt: Unter dem Strich stünden 144.000 Vollzeitäquivalente mehr und damit ein schlagendes Argument im Kampf gegen den Fachkräftemangel.
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