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Intransparent und ungerecht: Vernichtendes Urteil zum Bürgergeld

Man hält zwei ungleiche Münzstapel hoch

20 Seiten, die dunkle Wolken am Firmament der Ampelkoalition aufziehen lassen könnten. Wurde das Bürgergeld Ende 2022 von SPD, Grünen und der FDP noch als größte Sozialreform gefeiert, hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) jetzt gleich 31 Professoren das Bürgergeld und die Grundsicherung zerpflücken lassen. Das Ergebnis ist vernichtend: Nötig sei ein totaler Neuanfang.

FDP-Kritik

Streit ums Bürgergeld ist in der Ampel nicht neu und schwelt von Anfang an. Die FDP hat sich ohnehin nie mit dem Hartz-IV-Nachfolger anfreunden können und hat angesichts der 12,2 Prozent höheren Regelsätze ab 2024 hektische Flecken. Da kommt es den Liberalen ganz gelegen, dass Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner jetzt den wissenschaftlichen Beweis in Händen hält, dass es beim Bürgergeld fundamentale Probleme gibt.

Wissenschaftlicher Beirat nimmt Bürgergeld auseinander

Wie die „Bild“ berichtet, wird die Grundsicherung in Deutschland vom wissenschaftlichen Beirat des Finanzministeriums unter dem Strich als ungerecht, intransparent und verwirrend bezeichnet. Konkret bezogen aufs Bürgergeld, sorge das aktuelle System dafür, dass sich Arbeit oder ein besser bezahlter Job je nach Wohnort, Einkommen und Haushaltstyp kaum mehr lohnen.

Studie zum Bürgergeld – Lohnt sich Arbeit noch?

Unverständliche Hinzuverdienstregeln

Nur schwer nachvollziehbar seien vor allem die Hinzuverdienstregeln. Es gebe zwar Anreize, eine Arbeit aufzunehmen. Sobald das Bruttoeinkommen jedoch 1.200 Euro (bzw. 1.500 Euro mit Kind) übersteige, werde dieser Anreiz wieder genommen. Ab diesem Betrag werden sämtliche Einkommen mit dem Bürgergeld verrechnet.

Deutliche regionale Unterschiede

Zudem gebe es aufgrund der Übernahme der Wohn- und Heizkosten beim Bürgergeld teils enorme regionale Unterschiede. 904 Euro in Leipzig stünden bis zu 1.447 Euro in München gegenüber, auf die ein Single Anspruch habe. Diese Differenz betrage bei einer Familie mit zwei Schulkindern fast 1.000 Euro: 2.375 Euro Leipzig und 3.333 Euro München.

Für Betroffene nur schwer nachvollziehbar

Wer nur wenig verdiene, habe unter Umständen Anspruch auf Wohngeld und/ oder Kinderzuschlag. Dieser Anspruch könne entfallen, sinken oder sich in den Bezug von Bürgergeld ändern, wenn man umziehe oder mehr verdiene. Es sei für den Einzelnen nicht mehr ersichtlich,

„welchen Anteil seines (zusätzlichen) Bruttoeinkommens er behalten kann und welchen nicht“.

Unterschiedliche Zuständigkeiten

Auch die unterschiedlichen Zuständigkeiten sorgten für Wirrwarr. Betroffene verlören dadurch den Überblick. Bisweilen reichten eine Mieterhöhung oder ein Geburtstag des Kindes und damit eine neue Regelbedarfsstufe beim Bürgergeld, damit Geringverdiener plötzlich in ein anderes Grundsicherungssystem rutschen.

„Damit sind sie mit wechselnden Ansprechpartnern in der Verwaltung konfrontiert und sehen sich immer wieder anderen Transferentzugsraten gegenüber“,

monieren die Experten.

Enorme finanzielle Differenzen

Die Auswirkungen des Durcheinanders lassen sich in Euro und Cent beziffern. Demnach habe ein Single in Leipzig mit Anspruch auf Wohngeld und einem Bruttoeinkommen von 1.590 Euro insgesamt etwa 150 Euro mehr zur Verfügung als sein Pendant in München. Denn in Bayerns Landeshauptstadt bestehe aufgrund der höheren Mieten Anspruch auf ergänzendes Bürgergeld. Bei einer vierköpfigen Familie mit 2.400 Euro brutto summiert sich die Differenz auf 611 Euro.

Ziel: einheitliches System

Daher müsse ein einheitliches System geschaffen und das Nebeneinander der verschiedenen Grundsicherungsleistungen beendet werden. Das neue System soll sich am Bürgergeld orientieren, wobei die Kosten für Wohnung und Heizung als einheitliches Wohngeld geregelt werden sollen. Hinzu käme dann noch die Kindergrundsicherung.

Bild: Andrey_Popov/ shutterstock.com