Ineffizient, ungerecht, kein Arbeitsanreiz – klingt nach der aktuellen Kritik am Bürgergeld, die von Union, FDP und AfD geäußert wird. Tatsächlich aber handelt es sich um eine Einschätzung zum italienischen Pendant, das von der rechtsnationalen Fratelli d’Italia und Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im vorigen Jahr wieder eingestampft wurde. Das Aus des Bürgergelds in Italien und ein starker Anstieg der Armut: Ein Szenario, das auch hierzulande droht?
Familie als soziale Sicherung
Parallelen zu ziehen zwischen dem deutschen und dem italienischen Sozialsystem ist schwierig. Vor 2019 gab es in Italien kein soziales Sicherungsnetz. Unter Armut leidende Senioren wurden von den Kindern und Enkeln aufgefangen. Jüngere Menschen ohne Job konnten sich wiederum auf die Eltern und Großeltern verlassen. Doch dieses Netz bröckelt. Insofern war die Einführung des Bürgergelds durch die Fünf-Sterne-Bewegung eine echte Neuerung.
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Kritik am italienischen Bürgergeld
Aber: Sie stand von Anfang an in der Kritik. Einerseits, weil längst nicht alle Betroffenen „aufgefangen“ wurden. Um unterstützt zu werden, musste man zehn Jahre in Italien gelebt haben, zwei Jahre ohne Unterbrechung. Andererseits war die Hilfe durch das Bürgergeld größeren Familien gegenüber ungerecht. Eine Familie mit vier und mehr Kindern erhielt nur knapp das Doppelte des Betrages, der einem Single zustand. Dabei sind gerade Großfamilien häufig von Armut bedroht.
Fehlende Arbeitsanreize und Schwarzarbeit
Entscheidend aber, und das dürfte die deutschen Bürgergeld Kritiker aufhorchen lassen: Das System bot keinen Anreiz, sich eine Arbeit zu suchen. 870 Euro im Monat entsprachen in etwa dem, was man in Restaurants oder einfachen Dienstleistungsjobs verdient. Und: Fand man einen bezahlten Job, wurde ein Großteil des Bürgergelds gleich wieder einbehalten. „Das Bürgergeld hat Empfänger häufig davon abgehalten, eine formale Beschäftigung zu suchen“, konstatiert Stefano Scarpetta, Leiter der Abteilung für Beschäftigung, Arbeit und Soziales bei der OECD im Gespräch mit der „Welt“. Stattdessen habe man lieber schwarzgearbeitet.
Kein Geld mehr für arbeitsfähige Italiener
Giorgia Meloni hat deshalb einen Schlussstrich gezogen. In zwei Schritten seit dem vorigen Sommer wurde das Bürgergeld wieder abgeschafft. Anspruch auf Hilfe haben seither nur noch Haushalte, in denen Minderjährige, ältere Menschen oder Behinderte leben. Wer arbeitsfähig ist und an einer Weiterbildung oder Qualifizierung teilnimmt, erhält ein Jahr 350 Euro pro Monat. Danach gibt es keinen Cent mehr. Also genau das, was in Deutschland geplant wird: Wer arbeiten kann, muss jeden Job annehmen, sonst wird es zappenduster.
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Armut erreicht neuen Rekordwert
Ob die zunehmende Armut in Italien ein Ergebnis dieser Null-Euro-Sozialpolitik ist, darüber wird gestritten. Mit zehn Prozent Betroffener, die in absoluter Armut leben, ist in Italien ein neuer Rekord erreicht. Die offizielle Armutsquote beträgt 12,5 Prozent, mit einer vermutlich sehr hohen Dunkelziffer. Die Auswirkungen der Bürgergeldabschaffung sind hier vermutlich noch nicht eingepreist – wohl aber das Problem der Inflation.
Bürgergeld-Aus löst keine Probleme
Zum Vergleich: In Deutschland leben laut Paritätischem Gesamtverband 16,8 Prozent der Bevölkerung in Armut, das sind knapp 14,2 Millionen Menschen und eine halbe Million Betroffene weniger als im Jahr 2022. Das sei allerdings kein Grund zur Entwarnung, so Hauptgeschäftsführer Dr. Ulrich Schneider. Vielmehr sei eine entschlossenere Armutspolitik nötig. Dazu zähle nicht nur eine Kindergrundsicherung, sondern auch ein Mindestlohn von 15 Euro. Oder anders ausgedrückt: Es sind viele Stellschrauben, an denen gedreht werden muss. Einfach nur das Bürgergeld abzuschaffen und eine Arbeitspflicht einzuführen, wie von einigen Politikern gefordert, löst das Problem nicht.
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