Blind und auf die Unterstützung durch das Jobcenter angewiesen zu sein, stellt eine besondere Herausforderung dar. Betroffene selbst meistern ihren Alltag in der Regel bestens. Das Problem besteht eher aufseiten der Behörde. Denn wenn die sich vehement weigert, zumindest ein wenig mitzudenken und auf die speziellen Bedürfnisse Blinder einzugehen, ist Ärger vorprogrammiert. Etwa, weil man Schreiben nicht lesen kann und sich dann immer wieder mit der Androhung von Leistungsminderungen konfrontiert sieht.
Einladungen erfolgen nicht barrierefrei
Ein solcher Fall liegt beim Bürgergeld Bedürftigen T. vor. Er ist blind und erhält seine Post vom Jobcenter nicht barrierefrei. Die Folgen: Die Schreiben sind für ihn ohne fremde Hilfe nicht lesbar. Deshalb nimmt er – im wahrsten Sinne des Wortes unwissend – Termine, zu denen er geladen wird, nicht wahr und zack: Schon steht die nächste Sanktion im Raum. Das ist ärgerlich und bedeutet für den Betroffenen zusätzlichen Stress, der absolut nicht nötig wäre.
Keine Schreiben in Braille-Schrift
Helena Steinhaus, Gründerin des Vereins Sanktionsfrei, hat diese Geschichte publik gemacht. Sie zitiert in dem Zusammenhang auch ein Schreiben der Behörde.
„Leider ist es dem Jobcenter noch nicht möglich, Unterlagen in Braille-Schrift zukommen zu lassen“,
ist dort zu lesen. Die berechtigte Frage von Steinhaus an die Bundesagentur für Arbeit (BA): „Woran hapert´s denn?“
Wunschdenken und Realität
Vermutlich daran, dass mit den Plänen der Ampel für das Bürgergeld sehr viel Wunschdenken verbunden ist, das noch lange nicht in der Realität angekommen ist. Im Regierungsentwurf zum Gesetz wird zumindest ein barrierefreier Antrag versprochen. Vor allem aber weist die Regierung immer wieder auf den „Umgang der Beteiligten miteinander auf Augenhöhe“ hin. Scheint noch nicht zu funktionieren.
Respekt beim Bürgergeld? So weltfremd arbeiten Jobcenter
Das sagt das Gesetz
Viel schlimmer noch: Das Jobcenter hält sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben. Denn im Behindertengleichstellungsgesetz ist in § 10 BGG klar geregelt:
„Blinde und sehbehinderte Menschen können zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach Absatz 2 insbesondere verlangen, dass ihnen Bescheide, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke ohne zusätzliche Kosten auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden.“
Gemeinsam eine Lösung finden
Hier wäre es das Einfachste auf der Welt, wenn das Jobcenter mit dem Bürgergeld Bedürftigen spricht, wie man künftig am besten verfährt. Denn neben Briefen in Braille-Schrift (sog. Blindenschrift) gibt es nach wie vor noch das Telefon und die Option, elektronische Nachrichten zu verschicken, die dann gegebenenfalls vom Computer vorgelesen werden. Augenhöhe und Respekt würden hier bedeuten, gemeinsam eine Lösung zu finden.
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