Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat kürzlich entschieden, dass einem Antragsteller Bürgergeld-Regelleistungen zustehen, obwohl das zuständige Jobcenter seinen Antrag zunächst abgelehnt hatte. Die Ablehnung basierte auf der Annahme, dass der Antragsteller nicht alle geforderten Dokumente eingereicht hatte, insbesondere solche, die seine geschiedene Ehefrau betrafen. Das Gericht stellte jedoch fest, dass diese Unterlagen im zugrundeliegenden Fall keine Relevanz für die Leistungsbewilligung hatten (Az. L 21 AS 486/24 B ER und L 21 AS 487/24 B) und attestierte dem Jobcenter unangemessenes Verhalten.
Der Kläger, ein schwerbehinderter Mann (GdB von 80 mit Merkzeichen G und B), beantragte Bürgergeld ab dem 1. Dezember 2023, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Er lebt mit seiner geschiedenen Ehefrau, ebenfalls schwerbehindert (GdB von 100, Merkzeichen RF), in einer Bedarfsgemeinschaft, wobei beide Partner unter Betreuung stehen. Der Antragsteller, der zuvor in einer anderen Stadt Sozialhilfe nach dem SGB XII bezogen hatte, musste nach seinem Umzug in eine andere Stadt vorläufig Bürgergeld beantragen.
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Hilfebedürftigkeit soll geprüft werden
Im Rahmen des Antrags forderte das Jobcenter zahlreiche Unterlagen an, um die Hilfebedürftigkeit des Klägers prüfen zu können. Neben den persönlichen Nachweisen des Klägers selbst, verlangte das Jobcenter auch Unterlagen, die seine geschiedene Ehefrau betrafen. Diese umfassten:
- Kopie Personalausweis Partnerin
- Nachweis Sozialversicherungsnummer (z.B. Kopie Sozialversicherungsausweis) von Ihnen und Partnerin
- Mitgliedsbescheinigung Krankenkasse von Partnerin
- Kopie Krankenkassenkarte von Ihnen und Partnerin
- Nachweis Kindergeld von Ihnen
- Nachweis Antragstellung Wohngeld Partnerin
- letzter Bewilligungsbescheid und Aufhebungsbescheid Sozialhilfe von Ihnen
- Nachweise sonstiges Einkommen (falls vorhanden)
- (gegebenenfalls) Nachweis Höhe Kfz-Haftpflichtbeitrag und Kfz-Schein
- (gegebenenfalls) Kopie Schwerbehindertenausweis Partnerin
- Kontoauszüge ab 01.06.2023 bis 17.01.2024 aller Konten (inklusive Kreditkarten und Onlinebezahlsystemen z.B. Paypal) von Ihnen und Partnerin (auch Sparkonten! Ihre Partnerin hat diverse Konten aufgelöst und lässt monatliche Sparraten abbuchen)
Das Jobcenter argumentierte, dass ohne diese Informationen und Nachweise keine Prüfung der Bedürftigkeit des Klägers möglich sei, da beide in einer Bedarfsgemeinschaft leben und somit auch Einkommen und Vermögen der geschiedenen Ehefrau relevant seien.
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Antrag vom Jobcenter abgelehnt
Da die geforderten Unterlagen der Ex-Frau nicht vollständig vorgelegt wurden, lehnte das Jobcenter den Bürgergeld Antrag des Klägers ab. Es berief sich auf § 66 SGB I (Folgen fehlender Mitwirkung), wonach Leistungen verweigert werden können, wenn der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt und dadurch die Aufklärung des Sachverhalts erschwert wird.
Daraufhin legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte beim Sozialgericht Gelsenkirchen einstweiligen Rechtsschutz, um dennoch die beantragten Leistungen zu erhalten. Das Sozialgericht lehnte den Antrag jedoch ab und folgte der Argumentation des Jobcenters. Es sah die Hilfebedürftigkeit des Klägers als nicht ausreichend nachgewiesen an, da vermeintlich wichtige Dokumente seiner geschiedenen Ehefrau fehlten (Az. S 33 AS 310/24 ER).
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LSG entscheidet zugunsten des Antragstellers
Der Kläger ging daraufhin in Berufung vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen. Das LSG entschied zugunsten des Klägers und stellte fest, dass die vom Jobcenter verlangten Unterlagen der geschiedenen Ehefrau für die Bewilligung der Regelleistungen des Klägers tatsächlich nicht relevant waren. Der Kläger hatte die notwendigen Nachweise, die seine eigene Hilfebedürftigkeit betreffen, fristgerecht eingereicht. Die Mitwirkungspflicht des Klägers erstreckte sich nicht auf Unterlagen, die keinen unmittelbaren Einfluss auf die Berechnung der ihm zustehenden Regelleistungen haben.
Folgerichtig hob das Landessozialgericht die Entscheidungen des Jobcenters und des Sozialgerichts Gelsenkirchen auf und verpflichtete das Jobcenter, die beantragten Regelleistungen rückwirkend zu gewähren. Das LSG betonte, dass die Ablehnung der Leistungen durch das Jobcenter auf einer fehlerhaften Beurteilung beruhte. Der Versuch, die Ablehnung auf fehlende Unterlagen der geschiedenen Ehefrau zu stützen, sei unangemessen gewesen, da diese Dokumente für den Anspruch des Klägers selbst unerheblich waren.
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