Verschlossene Türen beim Jobcenter oder der Arbeitsagentur helfen niemandem. Im Gegenteil: Sie verstärken die Sorgen und Nöte Hartz IV Bedürftiger, weil sie auf persönliche und damit schnelle Unterstützung verzichten müssen und in der Ungewissheit leben, wann und ob überhaupt eine Antwort auf Anfragen oder Anträge kommt. Daraus ergibt sich eine Vielzahl von Problemen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) hat dazu eine Umfrage durchgeführt – mit erschreckenden Ergebnissen.
Gefühl der Hilflosigkeit
Obwohl die Kontaktbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie weitgehend aufgehoben sind, bleiben viele Jobcenter für Hartz IV Bedürftige nicht erreichbar. Das sagen 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus über 600 gemeinnützigen sozialen Beratungsstellen. Ihre Erfahrungen flossen im Sommer in die Umfrage ein. Ganz oben auf der Liste steht dabei das Gefühl der Hilflosigkeit der Klientinnen und Klienten.
Keine persönliche Beratung
Ganz ohne persönliche Beratung müssen laut der Studie acht Prozent der Betroffenen auskommen. Das gelte selbst dann, wenn man einen Termin habe. Als problematisch wird auch erachtet, dass es keine frei zugänglichen Eingangszonen gebe (31 Prozent). Hier könnten Hilfesuchende und Hartz IV Bedürftige beispielsweise Unterlagen einreichen und eine Empfangsbestätigung erhalten.
Hartz IV wird mit dem Bürgergeld nicht überwunden
Keine regulären Öffnungszeiten
Ohne eine solche Bestätigung kann man später nur schwer nachweisen, dass man sich an die gesetzlichen Fristen gehalten hat. Daher ist es absolut unverständlich, dass 28 Prozent der Berater erklärten, die jeweiligen Jobcenter hätten nicht einmal reguläre Öffnungszeiten. Lediglich in 9,8 Prozent der Fälle meldeten die Umfrageteilnehmer keinerlei Einschränkungen.
Die Folgen verschlossener Türen
Doch was bedeutet es für Hartz IV Bedürftige, wenn sie vor verschlossenen Türen stehen und keinen Ansprechpartner haben?
- 79 Prozent erleben Hilflosigkeit.
- Bei 64 Prozent haben sich die Probleme verschärft, weil sie nicht zeitnah geklärt werden konnten.
- Ähnlich hoch ist der Anteil derer, die existenzsichernde Leistungen nicht oder verspätet erhalten haben.
- Unterlagen kamen zu 60 Prozent erst verspätet beim Sachbearbeiter an.
- Dadurch wird die Wahrung von Fristen erschwert (49 Prozent).
- 57 Prozent monieren, dass wichtige Informationen fehlen.
- Die eingeschränkte Erreichbarkeit sorgt in 37 Prozent der Fälle zudem für drohende oder anhaltende Wohnungslosigkeit.
Forderung nach besserer Erreichbarkeit
Die Forderung der BAGFW an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lässt sich daher in zwei Worten zusammenfassen: bessere Erreichbarkeit. Leistungsberechtigte dürften nicht vor verschlossenen Türen stehen. Gleichzeitig müssten angemessene Corona-Schutzvorkehrungen sichergestellt sein.
Zeitnahe Beratung ist wichtig
„Menschen, die auf das Jobcenter angewiesen sind, müssen sich darauf verlassen können, dass sie dort kompetent und zeitnah beraten werden und ihre Ansprechpersonen erreichbar sind“, sagt BAGFW-Präsident Ulrich Lilie. Das gelte umso mehr angesichts der hohen Inflation und der Energiekrise. Dadurch würden immer mehr Menschen finanziell abrutschen. „Ihnen muss […] besonders schnell geholfen werden.“
Verbesserungsvorschläge des BAGFW
Statt nur den Zeigefinger zu heben, unterbreiten die Beratungsstellen auch einige Verbesserungsvorschläge. Sie empfehlen, auf allen Unterlagen Ansprechpartner samt Telefon und E-Mail-Adresse zu benennen. Außerdem könnten ein Notfalltresen, ein Scanservice für Unterlagen und persönliche Notfallsprechzeiten helfen.
Das gelte ebenso für digitale Angebot und Telefon-Hotlines, die jedoch niemals die persönliche Beratung ersetzen dürften. Denn viele seien, auch aus sprachlichen Gründen, auf den persönlichen Kontakt angewiesen.
Hier geht es zur Umfrage der BAGFW
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