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Jobcenter unfähig: Tausende Bürgergeld Bescheide fehlerhaft

Schuld sind immer die Leistungsbezieher. Von wegen. Knapp ein Drittel der Widersprüche, denen stattgegeben wird, basiert auf Fehlern der Jobcenter. Oder anders ausgedrückt: Viele Sachbearbeiter haben keine Ahnung von den Bürgergeld Regeln und arbeiten nicht effizient – dabei geht es um nicht weniger als das Existenzminimum oder schlicht das nackte Überleben der Hilfebedürftigen. Ausbaden müssen das dann auch die Gerichte, bei denen in über einem Drittel der Klagen zugunsten von Betroffenen entschieden wird. Das treibt die Kosten hoch, die in der öffentlichen Debatte stets den Betroffenen angelastet werden.

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Es geht um Existenzen

Eine unerklärliche Entscheidung oder ein fehlerhafter Bescheid: Bürgergeld-Empfänger haben in dem Fall das Recht, dem Jobcenter zu widersprechen. Und sollten von diesem Recht auch Gebrauch machen. Das Bürgergeld soll ein menschenwürdiges Existenzminimum sichern. Da sorgen Fehler, zu geringe oder womöglich ausbleibende Leistungen für leere Kühlschränke und Angst, wie man die nächsten Rechnungen bezahlen soll. Würde ordentlich gearbeitet, gäbe es dieses Problem nicht. Nur leider ist das Wunschdenken.

422.000 Widersprüche

Dazu genügt in Blick in die Jobcenter Statistik: Von Januar bis Dezember 2024 wurden von den Jobcentern bundesweit 422.201 Widersprüche bearbeitet. Stattgegeben wurde einem Widerspruch in 110.732 Fällen, teilweise stattgegeben in 26.280 Fällen. Macht in der Summe 137.012. Klären ließen sich die Probleme in 62.193 Fällen durch nachgereichte Unterlagen.

Fehlerquote von 30 Prozent

Das eigentliche Drama ergibt sich mit Blick auf die Bürgergeld Widersprüche, denen aufgrund fehlerhafter Rechtsanwendung stattgegeben wird. 40.792-mal haben Jobcenter im vergangenen Jahr das geltende Bürgergeld Gesetz falsch umgesetzt. Das entspricht einer unglaublichen Quote von 29,77 Prozent. Die ist schlicht viel zu hoch, zumal es um das Existenzminimum geht und Betroffenen damit unter Umständen der Boden unter den Füßen weggerissen wird.

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Keine Besserung zu Hartz IV

Im gleichen Erhebungszeitraum des Jahres 2022, also noch zu Zeiten von Hartz IV vor der großen Bürgergeld Reform, wurden insgesamt 397.255 Widersprüche bearbeitet, 108.713 Mal wurde stattgegeben, 24.712 teilweise. Dabei war in 39.860 der Widersprüche fehlerhafte Rechtsanwendung der Jobcenter der Grund, eine Quote von 29,87 Prozent.

Dauerhaftes Problem

Dieser Wert von knapp 30 Prozent hält sich hartnäckig. Bereits 2020 haben wir darüber berichtet (September und August). Geändert hat sich seitdem nichts. Das Versprechen des Bundesministers, mit dem Bürgergeld werde alles besser und weniger kompliziert, entpuppt sich als Augenwischerei. Die Zahl der Widersprüche und insbesondere jener, denen ein Fehler des Jobcenters zugrunde liegt, hatte nie Konsequenzen. Statt die Personaldecke aufzustocken oder neue Systeme zu schaffen, spart man die Behörden kaputt.

Viel Arbeit für Gerichte

Dieses Problem zieht weite Kreise, deren Ausläufer sämtliche Instanzen der Gerichte beschäftigen. Denn wird ein Bürgergeld Widerspruch abgelehnt, besteht die Möglichkeit, gegen das Jobcenter zu klagen. In letzten Jahr wurden 57.0130 Fälle bearbeitet. In 33,93 Prozent der Verhandlungen (19.347) wurde der Klage stattgegeben oder zumindest teilweise stattgegeben. Auch diese Zahl unterstreicht, dass in den Jobcentern nicht alles rund läuft und man etwas mehr Wert auf Effizienz sowie eine bessere Schulung der „Fachkräfte“ legen sollte.

Enormes Sparpotenzial

Dadurch ließe sich viel Geld sparen und Ärger vermeiden. Selbst, wenn ein Widerspruch „nur“ 15 Minuten Bearbeitungszeit in Anspruch nimmt, wären es im vergangenem Jahr fast 35.000 Arbeitsstunden, die man hätte sinnvoller einsetzen können – etwa durch die versprochene Beratung auf Augenhöhe.

Titelbild: M. Schuppich / shutterstock