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Jobcenter-Willkür lässt Bürgergeld Bedürftigen verzweifeln

Beamter im Büro mit einer goldenen Krone auf Kopf - Behördenwillkür

Sind die Bürgergeld-Grundlagen zu kompliziert oder lassen sie Jobcentern zu viel Raum für Willkür? Diese Frage drängt sich auf, wenn eine Seite „a“ und die andere Seite „b“ sagt. Und zwischen den Stühlen sitzt ein junger Mann unter 25 Jahren, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht. Statt sich über die eigene Wohnung zu freuen, hat er aufgrund der völlig unterschiedlichen Einschätzung seiner Lage durch zwei Jobcenter nur Ärger.

Zusage für Umzug

Die Geschichte lässt sich kurz zusammenfassen: Weil F. unter 25 Jahre alt und auf Bürgergeld angewiesen ist, darf er normalerweise keine eigene Wohnung beziehen, sondern muss bei den Eltern leben (Stichwort Unterhaltspflicht der Eltern). Von dieser Regel gibt es Ausnahmen, die der Gesetzgeber klar definiert hat. In diesem Sinne konnte F. Gutachten vorlegen und erhielt vom bisher zuständigen Jobcenter grünes Licht.

Hinweis: Grundsätzlich kann jeder Bürger hinziehen, wohin er möchte. Die Ablehnung des Umzugs durch das Jobcenter bezieht sich auf die Kosten der Unterkunft und Heizung. Wurde ein Umzug nicht genehmigt, wird das Jobcenter keine Unterkunftskosten übernehmen sowie weitere mit der Wohnung im Zusammenhang stehenden Kosten.

Unterkunftskosten werden abgelehnt

Gleiche Sachlage, neues Jobcenter: Dort weigerte man sich, die Kosten für Unterkunft und Heizung zu übernehmen. Dadurch war der junge Bürgergeld Bedürftige sofort mit der Miete im Rückstand, hat inzwischen sogar eine Mahnung vom Vermieter auf dem Tisch. Gegen die Absage des neuen Jobcenters hat der Verein Sanktionsfrei Widerspruch eingelegt und übernimmt derweil auch die Mietkosten, so Gründerin Helena Steinhaus in einem Tweet.

Hierzu muss man wissen, dass bei einem Umzug im Bürgergeld Bezug an einen anderen Ort die Jobcenter unterschiedliche Funktionen haben. Während das ursprüngliche Jobcenter am bisherigen Wohnort nur die Genehmigung für einen Umzug erteilt, weil es die Gründe hierfür für plausibel hält – demzufolge auch ggfls. für die Umzugskosten und Wohnbeschaffungskosten aufkommen würde, klärt das neue Jobcenter die Angemessenheit der Wohnkosten und erteilt dann eine Zusage oder Absage der Übernahme der Wohnkosten nach § 22 Abs. 4 SGB II. Die Zusicherung der Übernahme erfolgt nur, wenn die Kosten der Unterkunft und Heizung sich im angemessenen Rahmen befinden. Es ist grundsätzlich immer ratsam, zunächst das Genehmigungsverfahren des neuen Jobcenters abzuwarten, um nicht auf den Wohnkosten, Mietkaution etc. sitzen zu bleiben. Problematisch für die Hilfebedürftigen ist in diesem Fall allerdings, den Überblick über die Zuständigkeiten zu behalten.

Ein polarisierender Fall

Dass ein solcher Fall polarisiert, war klar. Viele erklären unisono, ohne F., seinen Hintergrund oder die genauen Umstände zu kennen: Wer unter 25 Jahre alt ist, könne auch arbeiten. Das ist schlicht anmaßend. Andere fragen, warum man in dem Alter nicht einfach ausziehen darf.

Umzug mit unter 25 bei Bürgergeld-Bezug

Die Antwort auf die zweite Frage: Weil der Gesetzgeber es nicht erlaubt! Geregelt wird dies über § 22 des SGB II. Die Bedarfe für eine eigene Unterkunft und Heizung werden für unter-25-Jährige demnach nur unter bestimmten Voraussetzungen übernommen. Das gilt laut Absatz 5 für folgende Fälle:

  • die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
  • der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
  • ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.

Ferner gibt es im Gesetzesgeflecht Besonderheiten, auf die bei einem Auszug für U25 im SGB II geachtet werden muss. Etwa, ob es sich um einen Erstauszug handelt.

Gutachten belegen Recht auf eigene Wohnung

Wir gehen davon aus, dass der Verein Sanktionsfrei seine knappen Ressourcen nicht für Fälle verschwendet, in denen Betroffene gegen Recht und Gesetz verstoßen. Helena Steinhaus verweist auf Gutachten. F. wird also nicht aus Jux und Tollerei um Erlaubnis gebeten haben, eine eigene Wohnung beziehen zu dürfen.

Gegensätzliche Einschätzung

Worauf in den Kommentaren kaum bis gar nicht eingegangen wird: Warum können zwei Jobcenter völlig anders entscheiden? Die gesetzlichen Grundlagen sind eindeutig und F. wird bei beiden Behörden die gleichen Papiere respektive Gutachten (wohlgemerkt, Mehrzahl) vorgelegt haben. Das spricht für Behörden-Willkür zulasten Betroffener.

Oder, wenn man ganz gemein ist: Das bisherige Jobcenter freut sich, einen Fall weniger in den Akten zu haben, und das neue Jobcenter will sich keinen u25-Kunden ans Bein binden. Dann wäre es nicht nur Willkür, sondern sogar menschenverachtend.