Das Kindergeld wird beim Bürgergeld als Einkommen berücksichtigt und mindert in Folge dessen die Auszahlung des Bürgergeldes – was die meisten Leistungsempfänger zu Recht als ungerecht empfinden, zumal das Geld für die Kinder da ist.
Generell wird Kindergeld für minderjährige Kinder ohne Bedingungen gezahlt und im Zuflussmonat auf den Bürgergeld Bedarf angerechnet. Bei volljährigen Kindern wird es ebenfalls mit dem Bürgergeld Bedarf verrechnet – jedoch ergibt sich bei Volljährigen die Besonderheit, dass das Kindergeld bei Zahlungen ab dem 18. Lebensjahr an gewisse Bedingungen gekoppelt ist.
Wie wird Kindergeld beim Bürgergeld angerechnet?
Hierdurch ergibt sich folgendes Risiko: Stellt sich im Nachhinein heraus, dass kein Kindergeldanspruch mehr bestand, weil das volljährige Kind die Voraussetzungen nicht mehr erfüllte, wird die Familienkasse das zu Unrecht gezahlte Kindergeld zurückfordern. Bürgergeld Bedürftige haben dann das Problem, dass sie die Rückforderung der Familienkasse begleichen müssen, aber gleichzeitig den Betrag nicht vom Jobcenter erstattet bekommen, der das Bürgergeld im Zuflussmonat des Kindergeldes kürzte und bereits zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgewendet wurde.
Höchstrichterliche Entscheidung des BFH
Diese Vorgehensweise ist sowohl in internen Dokumenten der Jobcenter niedergeschrieben und wurde zudem bereits im Jahr 2019 höchstrichterlich vom Bundesfinanzhof (BFH) entschieden unter Az.: III R28/18 vom 20.02.2019). Im vom BFH verhandelten Fall befand sich eine junge, volljährige Frau in schulischer Ausbildung. Aufgrund von Elternzeit wurde sie für sieben Monate von der Schulausbildung beurlaubt, teilte dies der Familienkasse jedoch nicht mit und erhielt somit für diesen Zeitraum weiterhin Kindergeld, welches auf ihre Grundsicherungsleistungen bedarfsmindernd berücksichtigt wurde. Die Beurlaubung führte jedoch dazu, dass sie für den Zeitraum der Elternzeit keinen Anspruch auf Kindergeld hatte, da sie sich faktisch nicht in Ausbildung befand.
Online: Bürgergeld Rechner
Kein Billigkeitserlass wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten
Nachdem die Familienkasse von der Unterbrechung der Ausbildung erfuhr, forderte es insgesamt 1.226 Euro für die Monate zurück, in denen zu Unrecht Kindergeld bezogen wurde. Dem Begehren der Klägerin, auf die Rückforderung des Kindergeldes aus Billigkeitsgründen zu verzichten, da bereits das Kindergeld das Bürgergeld (damals noch Hartz IV) gekürzt hatte, folgte der BFH nicht mit der Begründung, die Klägerin sei selbst schuld, indem sie ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe. Es lag in der Verantwortung der jungen Frau, die Familienkasse über die Unterbrechung der Ausbildung zu informieren. Gleichzeitig betonten die Richter des Bundesfinanzhofes, dass ein Billigkeitserlass nicht nur deshalb begründet werden kann, weil das Kindergeld bereits auf Sozialleistungen angerechnet wurde.
Wann haben Kinder ab 18 einen Kindergeldanspruch?
- Kindergeld für Volljährige wird bis zum 25. Geburtstag nur gezahlt, wenn dass Kind sich weiterhin in einer schulischen Ausbildung, Berufsausbildung oder Studium befeindet.
- Volljährige Kinder, die ausbildungs- oder arbeitssuchend bei der Agentur für Arbeit gemeldet sind, erhalten längstens bis zum 21. Geburtstag Kindergeld.
- In der Übergangszeit nach einem Schulabschluss bis zur Aufnahme einer Ausbildung oder Studium besteht nur für drei Monate Anspruch auf Kindergeld.
Eine Unterbrechung der Ausbildung oder vorübergehende Abmeldung bei der Agentur für Arbeit führt dazu, dass der Kindergeldanspruch für diesen Zeitraum erlischt.
Ausführliche Informationen zu diesem Thema bietet kindergeld.org unter Kindergeld ab 18
Hinweis: Das Kindergeld soll ab 2025 durch den Kindergarantiebetrag, der Teil der Kindergeundsicherung wird, ersetzt werden.
Bürgergeld Bedürftige sollten schnell handeln
Bürgergeld Bedürftige sollten bei jeder Veränderung in der Ausbildung (oder Arbeitslosigkeit) des volljährigen Kindes umgehend prüfen, ob der Kindergeldanspruch erloschen ist und sich unverzüglich an die Familienkasse sowie das Jobcenter wenden – schriftlich und idealerweise mit Nachweis.
Unterlässt man die Meldung, wird die Familienkasse zunächst Kindergeld weiterhin zahlen und das Jobcenter dieses auf das Bürgergeld – gekürzt um Freibeträge wie Versicherungspauschale – auf das Bürgergeld anrechnen.
Kommt es im Nachhinein zu einer Rückforderung des zu Unrecht gezahlten Kindergeldes durch die Familienkasse, muss man das Geld auch zurückzahlen. Auf einen Billigkeitserlass besteht keine Hoffnung, wie auch der BGH im genannten Urteil bestätigte. Auf eine Erstattung durch das Jobcenters des angerechneten Betrages besteht kein Anspruch.
BSG Urteil: Jobcenter darf Bürgergeld Rückforderungen nicht aufrechnen und muss monatlich prüfen
Befindet man sich beispielsweise in den Monaten Juli bis Dezember im Bürgergeld Bezug und bezieht gleichgleichzeitig Kindergeld, wird das Jobcenter jeden Monat 250 Euro Kindergeld abzgl. 30 Euro Versicherungspauschale = 220 Euro auf das Bürgergeld anrechnen. Besteht in diesem Beispiel in den Monaten August bis Oktober keine Kindergeldanspruch, den man weder der Familienkasse noch dem Jobcenter gemeldet hat, wird die Familienkasse weiterhin für den Zeitraum 750 Euro Kindergeld zahlen und das Jobcenter dieses mit insgesamt 660 Euro anrechnen. Fordert die Familienkasse diese 750 Euro zurück, die auch zurückgezahlt werden müssen, hat man unter dem Strich einen finanziellen Verlust von 750 Euro Rückzahlung + 660 Euro Anrechnung auf Bürgergeld = 1.410 Euro.
Daher noch einmal der dingende Hinweis: Immer prüfen, ob noch ein Kindergeldanspruch besteht und ggfls. unverzüglich bei Familienkasse und Jobcenter Meldung machen. Die Anrechnung des Kindergeldes nur im Zuflussmonat sorgt dafür, dass Betroffene auf späteren Rückforderungen sitzen bleiben.
Quelle: Bundesfinanzhof
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