Politiker der Unionsparteien und der FDP fordern Differenzierungen beim Bürgergeld – wer nicht arbeiten möchte oder zugewandert ist, soll nur noch reduzierte Zahlungen bekommen. Umgehend lassen Vertreter von SPD und Grünen erkennen, dass das mit ihnen nicht zu machen ist. Es werden aber auch verfassungsrechtliche Bedenken vorgetragen.
Ausgelöst hatte die Diskussion CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Der forderte in einem Interview mit der „Berliner Morgenpost“, das Bürgergeld für alle komplett zu streichen, die sich weigerten, eine Arbeit aufzunehmen. Er geht davon aus, dass dies mindestens 100.000 Menschen betrifft. Es gehe dabei auch um die Gerechtigkeit, so die CDU-Schatzmeisterin Julia Klöckner. Sie kann sich vorstellen, dass in begründeten Fällen Geldzahlungen durch Essensgutscheine ersetzt werden oder Menschen veranlasst werden sollen, aus teuren Lagen in günstigere Regionen umzuziehen.
Generalsekretär will über 100.000 Bürgergeld Bedürftigen Leistungen streichen
Andere haben vor allem die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt im Blick. Bei Schwarzarbeit solle das Bürgergeld komplett gestrichen werden, fordert der Präsident des Landkreistages Baden-Württemberg, Joachim Walter. Jan Redemann, Vorsitzender der CDU in Brandenburg, hält solche Schritte auch wegen des Arbeitskräftemangels in Gastronomie, Landwirtschaft und Handwerk für geboten.
Aber wie viele Menschen sind überhaupt betroffen? Wie die Bundesagentur für Arbeit vor wenigen Tagen berichtete, bezogen im vergangenen Jahr 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld. In etwas mehr als 200.000 Fällen wurden Leistungen gekürzt, vor allem wegen Meldeversäumnissen. Die Zahl derer, die Arbeit, Weiterbildung oder Ausbildung verweigerten, beziffert die Arbeitsagentur auf 13.800.
Besonders in den Blick geraten ist die Gruppe der Flüchtlinge. So stellte der FDP-Politiker Pascal Kober zur Diskussion, differenzierte Regelungen einzuführen für Aufstocker, Langzeitarbeitslose und Zugewanderte. Konkreter forderte Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CDU-Landesgruppe im Bundestag, ein neues Leistungssystem für Asylbewerber, das unterhalb des Bürgergeldes liegen müsse.
Arbeitsanreize: Statt Bürgergeld nur noch Sachleistungen für Verweigerer
All diese Überlegungen stoßen bei SPD und Grünen auf entschiedenen Widerspruch. So warf die Grünen-Politikerin Beate Müller-Gemmeke nach einem Bericht des „Deutschlandfunks“ Linnemann vor, mit falschen Zahlen gegen Bürgergeldempfänger zu hetzen. Die Union wolle ausländische gegen deutsche Empfänger von Bürgergeld gegeneinander ausspielen, so der SPD-Sozialpolitiker Martin Rosemann zur „Rheinischen Post“. Für Asylbewerber gebe es längst ein „Leistungssystem unterhalb des Bürgergeldes.“ Für verfassungswidrig hält er solche Überlegungen außerdem, und er ist nicht der Einzige. Der Staatsrechtler Prof. Ulrich Battis wiederum wies in einem TV-Interview darauf hin, dass das Bürgergeld auf dem Niveau des Existenzminimums liegen soll. Es sei daher rechtlich unmöglich, für einzelne Gruppen geringere Ersatzzahlungen einzuführen. Ähnlich wies der Arbeitsmarktexperte der Grünen, Andreas Audretsch, im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ darauf hin, dass der grundgesetzlich verankerte Schutz der Menschenwürde Zahlungen unterhalb des Existenzminimums verbiete.
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