Ganze 10 Euro: Um diesen Betrag wurde bis vor das Bundessozialgericht verhandelt. Weil das Jobcenter sich weigerte, die Kosten im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets für ein Zirkusprojekt in der Schule zu übernehmen, klagte die Mutter des Grundschulkindes – und das mit Erfolg.
Kleinlicher Streit um 10 Euro
Während einer Projektwoche veranstaltete die Schule ein Zirkusprojekt. Dafür wurde ein Zelt aufgebaut. Die Gebühr je Kind: 10 Euro. Da die Klägerin auf Bürgergeld angewiesen war, beantragte sie beim zuständigen Jobcenter die Kostenübernahme und berief sich dabei auf das Bildungs- und Teilhabepaket.
Das Jobcenter lehnte jedoch mit der Begründung ab, dass der Wortlaut im Gesetz (§ 28 SGB II) nur Aufwendungen für Schulausflüge und mehrtägige Klassenfahrten umfasse. Da aber das Zirkusprojekt auf dem Schulgelände stattfinde, falle es nicht unter diese Beschreibung. Während das Sozialgericht Cottbus dem Leistungsträger widersprach (Az.: S 31 AS 1129/18), stellte sich das Landessozialgericht wiederum auf die Seite des Jobcenters (Az.: L 3 AS 39/20).
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Bundessozialgericht stärkt Rechte
Nun war es am Bundessozialgericht, über die Kostenübernahme der 10 Euro zu entscheiden. Das Ergebnis ist für Bürgergeld-Empfänger mit Kindern ein echter Erfolg. Denn das BSG sah einen berechtigten Anspruch auf Erstattung der Teilnahmegebühr gemäß den §§ 30 in Verbindung mit 28 Absatz 2 SGB II (Az.: B 7 AS 9/22 R). § 30 SGB II regelt die Vorleistung (berechtigte Selbsthilfe) und § 28 SGB II die Bedarfe für Bildung und Teilhabe.
Zwar seien die Voraussetzungen für die Kostenübernahme nach allgemeinem Sprachverständnis nicht gegeben, da man für einen Schulausflug gemeinhin das Schulgelände verlasse und das Projekt auf dem Schulgelände durchgeführt worden sei. Doch eine solche, nur auf den Wortlaut bezogene Begrenzung der Leistung verkürze „den Leistungsanspruch planwidrig“.
Gewährleistung gleichberechtigter Teilhabe
Kernanliegen des § 28 SGB II sei „die gleichberechtigte Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an Bildung“. Das gelte gerade an der Schule. Die Hilfe diene dazu, über die typischen Schulausgaben hinausgehende Bedarfe zu decken. In diesem Sinne sei das Zirkusprojekt als „Lernen an einem anderen Ort“ zu bewerten. Die Schule habe eine Veranstaltung organisiert, die „der sozialen Teilhabe der Schulkinder im Klassen- oder Schulverband dient“.
Daher dürfe man die Bürgergeld-Empfängerin nicht auf den Regelbedarf verweisen. Denn, so das BSG: Bildungsbedarfe im schulischen Kontext müssen zur Sicherung des Existenzminimums von Kindern und Jugendlichen gesondert neben dem Regelbedarf erbracht werden, wenn sie von § 28 SGB II erfasst werden.
Nicht der letzte Fall dieser Art
Damit hat der Streit um 10 Euro ein Ende gefunden, der viel Geld, noch mehr Nerven und zahlreiche Ressourcen geschluckt hat. Er wird aber wohl nicht der Letzte gewesen sein. Für Rückforderungen gibt es mit dem Bürgergeld zwar eine Bagatellgrenze bis 50 Euro. Die greift aber nicht in Fällen dieser Art.
Ganz nebenbei: Mit dieser pingeligen Bürokratie hat das Jobcenter schon einem Grundschulkind deutlich gemacht, dass es nicht dazugehört. Ausgerechnet bei einem Zirkusprojekt, das Kindern beweisen soll, dass sie weit mehr schaffen, als sie sich selbst zutrauen und mit Applaus dafür belohnt werden. In diesem Fall hat die Mutter den Applaus verdient, weil sie sich der Bürokratie entgegengestellt hat.
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