In die Arbeitswelt zu wechseln, sei für Menschen ohne Job nicht attraktiv genug. Sagt die IHK Magdeburg, und bringt damit indirekt zum Ausdruck, dass ein Leben mit Bürgergeld attraktiver sei. Die Industrie- und Handelskammer macht den Hartz-IV-Nachfolger dafür verantwortlich, dass Betroffene nicht arbeiten wollen. Ein wenig zeigt man auch auf den Mindestlohn – und hat damit zumindest im Ansatz erkannt, dass nicht das Bürgergeld, sondern strukturelle Schwächen die Wurzel allen Übels sind.
Missachtung der Arbeitenden
Gegenüber dem MDR erklärte der Vizepräsident der IHK Magdeburg, Ralf Luther, die Differenz zwischen staatlichen Leistungen – also dem Bürgergeld – und den Aussichten im Niedriglohn-Bereich sei eine Missachtung der Arbeitenden. Deshalb müsse man Wege finden, Erwerbsfähige zur Arbeit zu überzeugen – mit Ausnahme derer, die nicht arbeiten könnten.
Der falsche Weg
Das erinnert stark an das, was Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann derzeit propagieren. Aus Sicht der IHK werde aktuell vor allem die Nicht-Arbeit belohnt. Man sei auf dem falschen Weg, weil Menschen
„sich noch mehr von der Arbeit zurückziehen“.
Bürgergeld verleitet nicht zur Kündigung
Wenn damit gemeint ist, dass Menschen lieber Bürgergeld beantragen, als weiterhin zu arbeiten: Dann liegt die IHK Magdeburg völlig falsch. Alle Befürchtungen und Debatten dazu haben sich, so die Aussage der Chefin der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Andrea Nahles, nicht bewahrheitet. Oder anders ausgedrückt: Kündigungen, weil das Bürgergeld interessanter scheint, entstammen der Fantasie der Grundsicherungsgegner. Darüber haben wir unter « Das Bürgergeld verleitet niemanden zur Kündigung » auf buergergeld.org berichtet.
Problem: fehlende Qualifikation
Wechselt man den Blickwinkel, hält laut IHK die Attraktivität des Bürgergelds Betroffene davon ab, überhaupt arbeiten zu gehen. Der MDR hat dazu recherchiert und die eigentlichen Probleme ans Licht gebracht.
Dass in Sachsen-Anhalt mehr arbeitsfähige Menschen im Alter von 18 bis 30 Jahren Bürgergeld erhalten (23.000) als es freie Stellen gibt (20.000), ist unbestritten. Aber: Die meisten können nicht einfach in eine beliebige Arbeit vermittelt werden, erklärt das Jobcenter Magdeburg. Denn jeder Zweite habe keinen Berufsabschluss. Überdies mangele es an einfachen Jobs und hätten Betroffene finanzielle Ängste, mit einem Niedriglohn-Job auch ohne Hilfe des Amtes über die Runden zu kommen.
Problem: Mindestlohn
Anders als die Politik wagt die IHK zumindest einen kleinen Seitenhieb auf den Mindestlohn. Denn mit künftig 41 Cent mehr pro Stunde, ab dem kommenden Jahr somit 12,41 Euro, sind keine großen Sprünge möglich und dürften viele trotz Arbeit nach wie vor auf das Jobcenter angewiesen sein. Deshalb fordern Sozialverbände mindestens 14 Euro.
Kürzungen machen Chancen zunichte
Was die IHK indes übersieht: Mit dem Bürgergeld wurden weitreichende Möglichkeiten geschaffen, Menschen durch Weiterbildung für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Das funktioniert nur nicht von heute auf morgen und schon gar nicht, wenn die finanziellen Mittel radikal gekürzt werden. Attraktiv wird das Bürgergeld dadurch nicht und es ist ganz sicher nicht der Grund, warum Stellen unbesetzt bleiben oder die Wirtschaft schwächelt.
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