Minderjährige in Bedarfsgemeinschaften mit Bürgergeld stehen zunehmend im Fokus der Jobcenter. Eine Gesetzeslücke erlaubt es den Behörden, Rückforderungen von zu viel gezahltem Bürgergeld bereits bei Kindern geltend zu machen. Während Volljährige durch einen Freibetrag von 15.000 Euro geschützt sind, fehlt ein solcher Schutz für Minderjährige. Die Folge: Kinder und Jugendliche werden zur Kasse gebeten, wenn ihre Familie zu hohe Leistungen erhalten hat – eine Praxis, die dringend einer Überarbeitung bedarf.
Rückforderungen: Auch Kinder sind betroffen
Beim Bürgergeld können sich finanzielle Veränderungen in einer Bedarfsgemeinschaft, etwa durch einen neuen Job oder Überstunden, auf die Höhe der ausgezahlten Leistungen auswirken. Wird mehr Einkommen erzielt als ursprünglich angenommen, fordert das Jobcenter zu viel gezahlte Beträge zurück. Diese Rückforderungen betreffen jedoch nicht nur die Eltern, sondern alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft – also auch Minderjährige. So werden praktisch auch Kinder zur Rückzahlung verpflichtet, obwohl sie keine Kontrolle über die Einkommenssituation der Familie haben.
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Kein spezieller Schutz für Minderjährige
Minderjährige haben zwar ein allgemeines Schonvermögen, das bei der Berechnung des Bürgergeldes berücksichtigt wird. Allerdings erstreckt sich dieser Schutz nicht auf Rückforderungen des Jobcenters.
Für Volljährige hingegen gibt es seit dem 1. Januar 2023 – Einführung des Bürgergelds – nach § 40 Abs. 9 SGB II einen Freibetrag von 15.000 Euro. Rückforderungen dürfen bei ihnen erst geltend gemacht werden, wenn ihr Vermögen diesen Betrag übersteigt. Minderjährige jedoch haben diesen Schutz nicht. Das bedeutet, dass Jobcenter auf ihr Vermögen – zum Beispiel Ersparnisse oder Einkommen aus Nebenjob – zugreifen können, um Rückforderungen zu begleichen.
Praxis der Jobcenter: Rückforderungen bei Minderjährigen
Zu Zeiten von Hartz IV noch vor 2023 warteten die Jobcenter oft, bis Kinder volljährig wurden, um deren Vermögen für Rückforderungen heranzuziehen. Doch durch die fehlende Freibetragsregelung für Minderjährige wird nun bereits während der Minderjährigkeit vollstreckt. Gerichtsvollzieher stehen dabei im schlimmsten Fall vor der Tür, um Schulden beim Jobcenter von Kindern einzutreiben. Diese Praxis führt zu erheblichen Belastungen für die betroffenen Familien.
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Kritik: „Der Staat im Kinderzimmer“
Martin Staiger, ein Experte für Sozialrecht, übt deutliche Kritik an dieser Vorgehensweise. In seiner Kolumne „Der Staat im Kinderzimmer“ beschreibt er, wie die Jobcenter durch die fehlende Freibetragsgrenze minderjährige Bürgergeld-Empfänger belasten. Während volljährige Bürgergeld-Bezieher durch die Freibetragsregelung geschützt sind, werden Minderjährige zur Verantwortung gezogen, obwohl sie oft keine Kontrolle über ihre finanzielle Situation haben. Diese Ungleichbehandlung sei unfair und bedürfe dringend einer Korrektur, betont Staiger.
Stellungnahme des Hamburger Senats: Kein Schutz für Minderjährige
Auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion mit dem Betreff „Bedrängen Inkasso-Stellen der Jobcenter Minderjährige?“ hin bestätigte der Hamburger Senat, dass Rückforderungen individuell an jede Person der Bedarfsgemeinschaft gerichtet werden – also auch an Minderjährige. Zwar gibt es das allgemeine Schonvermögen nach § 12 SGB II, das bei der Berechnung des Bürgergeldes berücksichtigt wird, doch der speziell für Rückforderungen vorgesehene Freibetrag von 15.000 Euro gilt nur für Volljährige. Minderjährige haben somit keinen vergleichbaren Schutz und müssen daher für Rückforderungen aus Bürgergeldüberzahlungen haften.
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