Eigentlich sollte sich ein junger Mann vor dem Amtsgericht für zu Unrecht bezogene Hartz IV Leistungen verantworten – doch der Fall nahm eine unerwartete Wendung: Der Staatsanwalt ruft das Jobcenter auf die Anklagebank.
Mann bezieht 2 Monate lang zu Unrecht Hartz IV
Wer schon einmal Hartz IV Leistungen bezogen hat, weiß, dass das bürokratische System rund um die Grundsicherung mitunter viel Raum für Missverständnisse und Verwirrung bietet. Diesen komplexen Regelungen und Verfahren fiel auch ein 27-Jähriger aus Nordhessen zum Opfer. Der ehemalige Hartz IV Empfänger bezog im Jahr 2017 zwei Monate lang Hartz IV, obwohl er bereits eine Anstellung gefunden hatte. Grund dafür sei vor allem die schlechte Erreichbarkeit des Jobcenters gewesen.
Jobcenter war nicht zu erreichen
„Ich habe versucht, anzurufen“, allerdings sei die Leitung des Jobcenters immer besetzt gewesen, erklärte der Mann. Nach einigen Versuchen, das Jobcenter zu erreichen, habe er es dann „vergessen“. Als er anschließend die Rückzahlungsaufforderung des Jobcenters erhielt, habe er eine Ratenzahlung beantragen wollen – doch wieder konnte er telefonisch niemanden erreichen. Der junge Mann betonte vor Gericht, er habe die Hartz IV Leistungen zurückzahlen wollen und wolle dies auch jetzt noch, er sei allerdings an der schlechten Erreichbarkeit des Jobcenters gescheitert:
„Ich weiß gar nicht, warum ich jetzt vor Gericht stehe“, erklärte der Angeklagte vor Gericht.
Staatsanwalt hat Verständnis für Hartz IV Empfänger
Eine Mitarbeiterin des Jobcenters berichtete, dass die zu Unrecht getätigten Zahlungen bei einem Datenabgleich aufgefallen seien. Daraufhin habe man den Angeklagten angeschrieben und zur Rückzahlung aufgefordert, der habe jedoch nicht darauf geantwortet. Auf weitere Befragungen des Staatsanwaltes gab die Mitarbeiterin jedoch zu, dass sie nicht die zuständige Sachbearbeiterin des Mannes gewesen sei, sondern lediglich in der Leistungsabteilung tätig wäre – eine Antwort, die dem Staatsanwalt in seinem Plädoyer offenbar missfiel:
„Jeder ist für etwas anderes verantwortlich, statt dass sich einer um alle Fragen bei einer Person kümmert“.
Er könne es durchaus nachvollziehen, dass Leistungsempfänger nicht immer in der Lage seien, die Organisation des Jobcenters und seiner Abteilungen zu durchblicken.
Richterin stellt Verfahren ein
Auch die Richterin am Amtsgericht Schwalmstadt teilte letztendlich die Ansicht des Staatsanwalts. Sie wies den Mann an, die Leistungen zurückzuzahlen und mahnte, dass der Staat bei der Auszahlung von Hartz IV Leistungen im Bewilligungszeitraum auf dem Laufenden gehalten werden wolle. Das Verfahren gegen den Angeklagten wegen Betruges sei jedoch einzustellen.
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