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Oma behält Mehrbedarf für Alleinerziehende für Tochter mit eigenem Kind

Großmutter mit Tochter und Enkelkind

Eine alleinerziehende Mutter im Bürgergeld-Bezug (früher Hartz IV), deren minderjährige Tochter ebenfalls ein Kind bekam, hat entgegen den Weisungen des Jobcenters weiterhin Anspruch auf den Mehrbedarf für Alleinerziehende, entschied das Sozialgericht Dresden bereits im Jahr 2015 (Az.: S 40 AS 1713/13).

Minderjährige Tochter wird selbst Mutter

Erfolgreich konnte sich eine 44-jährige Mutter im Leistungsbezug gegen die Entscheidung gegen des Jobcenters wehren. Die alleinerziehende Frau lebte im streitigen Bewilligungszeitraum mit ihren beiden 16 und 18 Jahre alten Töchtern in einer gemeinsamen Wohnung. Im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft erhielt sie zusätzlich zum Regelsatz den Mehrbedarf für Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 SGB II.

Nachdem die minderjährige Tochter selbst mit einem Sohn Mutter wurde, bildete sie mit ihrem Kind eine eigene Bedarfsgemeinschaft und lebte weiterhin zusammen in einem Haushalt, der aus ihrer Mutter und volljährigen Schwester eine weitere Bedarfsgemeinschaft begründete. Beide Bedarfsgemeinschaften erhielten entsprechende Hartz IV Leistungen. Jedoch strich das Jobcenter der frischgebackenen Oma den Alleinerziehenden Mehrbedarf für ihre minderjährige Tochter. Das Amt bezog sich auf die Rechtshinweise der Bundesagentur für Arbeit, in denen er wörtlich heißt:

„Damit werden die tatsächlichen Lebensverhältnisse abgebildet. Es wird davon ausgegangen, dass ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung durch ein Kind, das selbst ein Kind hat, nicht mehr verursacht wird.“

Dieser Passus steht weiterhin exakt so in den Fachlichen Weisungen zu § 21 SGB II mit Stand 01.01.2024.

Gericht widerspricht Jobcenter

Die Entscheidung des Jobcenters wollte die 44-jährige Leistungsempfängerin nicht hinnehmen und wandte sich ans Sozialgericht – mit Erfolg! Das Sozialgericht Dresden widersprach der Argumentation des Jobcenters und erkannte der Antragstellerin weiterhin den Mehrbedarf für Alleinerziehende zu. Die Richter führten weiter an, dass das Gesetz für die Gewährung des Zuschlags alleine darauf abstelle, ob es sich um ein minderjähriges Kind handelt. Weitere Beschränkungen, wie beispielsweise „ledig, ohne Kinder“ seien in den Gesetzestexten nicht zu finden, so das Gericht. Damit gäbe es keinen gesetzlichen Ausschluss für Kinder, die eigene Kinder gebären – zumindest wenn alle in einem drei-Generationen-Haushalt leben.

„Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen … “ (§ 21 Abs. 3 SGB II)

Nach Ansicht des Sozialgerichts seien die Rechtshinweise der BA rechtswidrig und bedürfen einer Korrektur, da die Vorgehensweise sowohl mit den gesetzlichen Vorschriften zum Mehrbedarf für Alleinerziehende als auch mit den zivilrechtlichen Vorschriften über die elterliche Sorge nicht in Einklang zu bringen ist.

Hier hat „nur“ ein Sozialgericht entschieden, weshalb Jobcenter nicht daran gebunden sind. Die Argumentation ist jedoch schlüssig und nachvollziehbar, so dass sich ein Widerspruch eventuell lohnen könnte, wenn das Jobcenter den Bürgergeld Mehrbedarf für Alleinerziehende in einem solchen – zugegebenermaßen seltenen – Fall ablehnt.

Titelbild: LightField Studios / shutterstock