Für Bürgergeld Bedürftige werden im Leistungsbezug keine Beiträge vom Jobcenter an die Rentenversicherung abgeführt was bedeutet, dass Zeiten des Bürgergeld Bezuges keine Erhöhung der späteren Rente bewirken. Minijobber mit einem 538 Euro Job, die auf Bürgergeld angewiesen sind, können dennoch mit Hilfe des Jobcenters in die Rentenkasse einzahlen – wenn sie sich nicht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht bei der geringfügigen Beschäftigung befreien lassen.
Laut den neuesten Statistiken der Jobcenter (Stand: 22.11.2024) sind rund 355.000 Leistungsbezieher in einer geringfügigen Beschäftigung tätig. Dies entspricht 9 Prozent aller erwerbsfähigen Bürgergeld-Empfänger. Davon arbeiten knapp 80 Prozent ausschließlich in einem Minijob.
Der Minijob ist dafür bekannt, dass Arbeitnehmer ihr Gehalt Brutto für Netto ausgezahlt bekommen, also im besten Fall volle 538 Euro monatlich bei der aktuellen Minijob-Grenze. Sozialabgaben für Kranken- und Rentenversicherung (13 Prozent bzw. 15 Prozent) werden pauschal vom Arbeitgeber übernommen und an die Minijob-Zentrale abgeführt – immerhin etwa 170 Euro monatlich. Für Minijobber selbst ergeben sich damit aber weder eine Krankenversicherung noch Rentenansprüche aus diesen pauschalen Zahlungen.
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Grundsätzlich Rentenversicherungspflicht mit Minijob
Grundsätzlich unterliegen Minijobs der Rentenversicherungspflicht. Auf Antrag kann sich der Beschäftigte jedoch davon befreien lassen. Dieser Antrag muss schriftlich beim Arbeitgeber eingereicht werden. Wichtig: Eine Befreiung gilt bis zum Ende der Beschäftigung und kann nicht vorzeitig widerrufen werden.
3,6 Prozent Abgabe an die Rentenkasse
Lässt man sich hingegen nicht befreien, werden vom Einkommen des Minijobbers 3,6 Prozent durch den Arbeitgeber einbehalten und an die Minijob-Zentrale abgeführt. Diese 3,6 Prozent sind die Differenz zwischen dem vollen Rentenbeitrag von 18,6 Prozent und den 15 Prozent, die pauschal über den Arbeitgeber abgeführt werden. Bei höchstmöglichem Einkommen von 538 Euro beträgt der Rentenbeitrag 19,37 Euro im Monat, womit die Auszahlung von 538 Euro auf 518,63 Euro reduziert wird.
Bereits 2021 hat die Deutsche Rentenversicherung ermittelt, dass sich 80 Prozent der Minijobber von der Rentenversicherung befreien lassen. Bei der damaligen Rechnung kam die DRV auf eine Rentenerhöhung von 6,67 Euro monatlich und damit 80,04 Euro jährlich – ausgehend von einem monatlichen Beitrag von 16,20 Euro. Nach heutigem Stand dürfte dies deutlich mehr sein.
Auswirkungen für Bürgergeld Bedürftige
Ist man auf das Bürgergeld angewiesen und ein Minijob die einzige Erwerbstätigkeit, ist es ratsam, sich nicht von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen, da so praktisch die Rentenversicherungsbeiträge durch das Jobcenter finanziert werden. Dies lässt sich am besten in einer beispielhaften Vergleichsrechnung demonstrieren.
Beispiel: Charlotte ist Single, 27 Jahre alt und wohnt in Berlin. Da sie auf Bürgergeld angewiesen ist, hat sie einen monatlichen Bedarf von 563 Euro Regelsatz, 449 Euro für Miete und 120 Euro für Heizung – zusammen 1.132 Euro. Sie geht einer geringfügigen Beschäftigung in der Gastronomie nach, wo sie 538 Euro monatlich verdient. Aufgrund der Freibeträge auf das Einkommen bleiben vom ausgezahlten Gehalt 189,40 Euro anrechnungsfrei, das ist der maximale Freibetrag beim Minijob in Kombination mit dem Bürgergeld.
ohne RV-Pflicht | mit RV-Pflicht | |
---|---|---|
Bruttoeinkommen | 538,00 EUR | 538,00 EUR |
Rentenversicherungsbeitrag | -19,37 EUR | |
Nettoauszahlung | 538,00 EUR | 518,63 EUR |
Freibeträge auf Einkommen | -189,40 EUR | -189,40 EUR |
Anrechnung auf Bürgergeld | 348,60 EUR | 329,23 EUR |
Bürgergeld Bedarf | 1.132,00 EUR | 1.132,00 EUR |
Bürgergeld Auszahlung | 783,40 EUR | 802,77 EUR |
Diese Tabelle zeigt, dass zwar durch den Beitrag zur Rentenversicherung das Netto um 19,37 Euro reduziert wird, dieser Differenzbeitrag aber vom Jobcenter mit dem Bürgergeld ausgezahlt wird, da ansonsten der Bedarf nicht gedeckt wäre. In beiden Fällen hat man demnach genauso viel im Monat zur Verfügung, nur dass ohne die Befreiung zur Rentenversicherungspflicht beim Minijob noch 19,37 Euro monatlich in die Rentenkasse eingezahlt werden, die praktisch über das Jobcenter finanziert werden und sich später positiv auf die eigene Rente auswirken.
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Jobcenter darf keine Befreiung verlangen
Vermehrt erreichen uns Anfragen von Hilfebedürftigen, die vom Jobcenter aufgefordert werden, sich mit dem o.g. Formular der Minijob-Zentrale von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen. Diese Praxis ist rechtswidrig, da es sich bei beim Minijob um eine Rentenversicherungspflicht und um keine freiwillige Abgabe handelt.
Leistungsempfänger müssen sich demnach nicht befreien lassen. Auch interne Dokumente der Bundesagentur für Arbeit, die unserer Redaktion vorliegen, schreiben ausdrücklich vor, dass wenn Beiträge im Rahmen eines Minijobs an die Rentenkasse abgeführt werden, diese Pflichtbeiträge als Absetzbeträge gemäß § 11b Abs. 1 Nr. 2 SGB II beim Bürgergeld zu berücksichtigen sind. Eine Aufforderung des Jobcenters, sich beim Minijob von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen verstößt gegen die gesetzlichen Vorgaben.
Hinweis für Wohngeld Empfänger
Auch für Bezieher von Wohngeld ist es ratsam, sich nicht von der Rentenversicherungspflicht beim Minijob befreien zu lassen, da durch den Rentenbeitrag von 19,37 Euro (in 2024) Abzugsbeträge in Höhe von zehn Prozent beim Einkommen (54 Euro) geltend gemacht werden können. Hier müssen Wohngeld-Empfänger aber selbst nachrechnen, ob es sich in ihrem individuellen Fall lohnt. Dazu kann auch der Wohngeldrechner von wohngeld.org genutzt werden.
Titelbild: Kittyfly / shutterstock