Der Bürgergeld-Regelsatz soll neu berechnet werden, wobei „neu“ hier nicht wirklich treffend ist. Stattdessen möchten die Koalitionspartner das alte und verstaubte Hartz-IV-Berechnungsmodell wieder herauskramen, welches bei der Bürgergeld Einführung aus gutem Grund ersetzt wurde. Schließlich konnte (oder wollte) man vor der Bürgergeld-Reform nur sehr langsam und träge auf äußere Umstände reagieren. Dennoch verständigten sich die Koalitionspartner aus CDU/CSU und SPD in in ihren Verhandlungen auf eine Rückkehr zu dieser Berechnung – dies geht zumindest aus dem 162-seitigen Koalitionspapier hervor. Damit würde der soziale Rückschritt vorantrieben und die Lage für Bürgergeld-Empfänger weiter zugespitzt.
Die frühere Berechnung des Regelbedarfs unter Hartz IV
Vor der Einführung des Bürgergeldes erfolgte die Berechnung des Regelbedarfs auf Basis der sogenannten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die nur alle fünf Jahre durchgeführt wurde. Dabei wurden die realen Verbrauchsausgaben der einkommensschwächsten 15 bis 20 Prozent der Haushalte ermittelt und in einem statistischen Warenkorb abgebildet. Dieser Warenkorb umfasste verschiedene Bereiche des täglichen Lebens, wie Lebensmittel, Kleidung, Wohnen, Kommunikation und Freizeit. Zwischen den EVS-Erhebungen wurde der Regelsatz jedoch lediglich jährlich angepasst. Diese Anpassung erfolgte anhand eines Mischindexes, der sowohl die Inflation als auch die Nettolohnentwicklung enthielt. Durch dieses Vorgehen reagierte der Regelbedarf nur sehr verzögert auf steigende Lebenshaltungskosten.
Der Koalitionsvertrag radiert Bürgergeld und Menschlichkeit aus
Pandemie zeigte die Schwächen des alten Systems deutlich
Während der Pandemie zeigte diese Berechnungsmethode besonders ihre Schwächen auf. Preise für Lebensmittel, Energie und Wohnen stiegen rasch und deutlich. Die jährliche und oft unzureichende Anpassung des Hartz-IV-Regelsatzes konnte die höheren Kosten kaum ausgleichen, wodurch viele Betroffene in erhebliche finanzielle Notlagen gerieten.
Bereits 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden (Urteil vom 23. Juli, Az.: 1 BvL 10/12), dass der Gesetzgeber bei unerwarteten Preissteigerungen verpflichtet sei, Regelbedarfe unverzüglich anzupassen, um existenzielle Notlagen zu verhindern. Die damalige Bundesregierung reagierte während der Pandemie jedoch lediglich mit geringfügigen Einmalzahlungen, anstatt die Regelbedarfe systematisch und umfassend anzupassen.
Aktuelle Bürgergeld-Berechnung: schneller und realistischer
Mit Einführung des Bürgergeldes im Jahr 2023 wurde die Berechnung deutlich verbessert. Zusätzlich zur fünfjährigen EVS wird seitdem jährlich eine Inflationskomponente berücksichtigt, wodurch der Regelsatz deutlich schneller und präziser auf Preissteigerungen reagieren kann. Diese Methode bietet einen deutlich besseren Schutz vor finanziellen Engpässen, indem sie aktuelle Inflationstrends schneller berücksichtigt. Dies bedeutet aber nicht, dass der Regelbedarf ausreichend ist, da bereits die Basis künstlich kleingerechnet wurde.
Mehr als 500 Euro fehlen beim Bürgergeld Regelsatz
Warum nun dennoch die Rückkehr zur alten Berechnungsmethode?
Die geplante Rückkehr zum alten Modell scheint primär finanziell motiviert zu sein. Hintergrund könnte eine Überschätzung der Inflationsentwicklung durch die Regierung sein, die nun korrigiert werden soll. Dabei wird jedoch übersehen, dass die Inflation nach wie vor vorhanden ist und Bedürftige auch heute noch mit finanziellen Engpässen zu kämpfen haben. Tatsächlich erhielten Bürgergeld- bzw. Hartz-IV-Empfänger in der Vergangenheit deutlich weniger, als es der regelbedarfsrelevante Verbraucherpreisindex eigentlich erforderte. Besonders die Jahre 2022 bis 2023 zeige ein erhebliches Auseinanderklaffen der Leistungen zur realen Inflation.
Bürgergeld als Einsparung – ein problematisches Signal
Gerade angesichts der Erfahrungen aus der Corona-Pandemie erscheint es mehr bedenklich, wenn das Bürgergeld nun zu einer Sparmaßnahme in den Koalitionsverhandlungen degradiert wird. Statt gezielt an der Unterstützung für ohnehin finanziell schwache Haushalte zu sparen, wäre es angemessen, gerade in Krisenzeiten die soziale Absicherung zu stärken, um das Existenzminimum nachhaltig und zuverlässig zu sichern.
Quellen:
- Verordnung zur Bestimmung der für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen
- Bundesverfassungsgericht – Az.: 1 BvL 10/12
- Statistisches Bundesamt – Verbraucherpreisindex und Inflationsrate
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