Die Umsetzung der Pläne beim Bürgergeld würde Betroffenen noch weiter an den Rand der Gesellschaft drängen, auch im Sinne einer Ghettoisierung, einen Hauch von Zwangsarbeit mit sich bringen und allen, die neu auf Hilfe vom Staat angewiesen sind, vom ersten Tag an den Boden unter den Füßen wegreißen. Damit übertrumpft der Landkreistag – der von einer Weiterentwicklung des Bürgergeldes spricht – sogar die Pläne der Union.
Direkt 100-prozentige Leistungskürzung
Das Beschlusspapier, in dem die Neufassung einiger Bürgergeldvorgaben diskutiert wird, dreht sich weitestgehend um drei Bereiche: Das Vermögen, über das Bürgergeld Bedürftige verfügen dürfen. Den Wohnraum, der als angemessen gilt. Und die Leistungsminderungen, die ganz offen wieder als Sanktionen benannt werden und dank Null-Toleranz-Regel eine sofortige Kürzung des Regelsatzes um 100 Prozent vorsehen.
- Bürgergeld 100%-Sanktionen in Kraft getreten
- Bürgergeld Vollsanktionen wegen Hürden kaum durchsetzbar
Deutscher Landkreistag: Der Deutsche Landkreistag (DLT) ist der Zusammenschluss der 294 deutschen Landkreise auf Bundesebene. Der DLT vertritt drei Viertel der kommunalen Aufgabenträger, rund 96 % der Fläche und mit 57 Mio. Einwohnern 68 % der Bevölkerung Deutschlands. (Quelle: DLT)
Ende der Karenzzeit
Laut „Spiegel“, dem das Papier des Deutschen Landkreistages vorliegt, soll die Karenzzeit von einem Jahr, in der das Vermögen höher sein darf und nicht auf die Angemessenheit der Unterkunft geachtet wird, komplett gestrichen werden. Dabei beziehen sich die Verantwortlichen um Landkreistagspräsident Reinhard Sager auf zwei Aspekte.
Niedrigere Vermögensgrenzen
Erstens: Die aktuellen Vermögensgrenzen seien, so der Landkreistag, nicht mit dem Sinn und Zweck einer steuerfinanzierten Sicherung des Existenzminimums vereinbar. Derzeit gilt für das Schonvermögen: Während der Karenzzeit dürfen Betroffene maximal 40.000 Euro behalten (jede weitere Person der Bürgergeld Bedarfsgemeinschaft 15.000 Euro). Anschließend bleiben 15.000 Euro unangetastet. Konkrete Zahlen, wie hoch der Freibetrag für das Schonvermögen künftig sein soll, liefert das Beschlusspapier nicht.
Ein Dorn im Auge des Landkreistages ist auch die Übertragung von nicht ausgenutzten Freibeträgen beim Vermögen von Einzelpersonen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft. Bei dieser Regelung sieht der DLT eine stete Entfernung des Bürgergeldes vom Nachrang der Existenzsicherung.
Strengere Wohnraumregeln
Zweitens sollen künftig auch hinsichtlich der Wohnbestimmungen schärfere Vorgaben gelten. Bislang müssen Betroffene, die gerade ihren Job verloren haben, nicht befürchten, unter Umständen auch gleich die Wohnung verlassen zu müssen. Diese Sorge wird mit den Plänen des Landkreistages wieder geweckt: Während der ersten zwölf Monate auf eine Prüfung der Angemessenheit der Miete zu verzichten, führe zu Fehlanreizen, wie es in Punkt 5. des Papiers heißt.
Sollte der Gesetzgeber weiterhin an der Karenzzeit für die Wohnkosten festhalten, solle sich diese auf die gesamte Bedarfsgemeinschaft und nicht auf Einzelpersonen erstrecken, damit vermieden wird, dass unterschiedliche Karenzzeiten für Einzelpersonen gelten. Weiter heißt es, dass das Wohnen in überdurchschnittlich teuren Wohnungen gesetzlich ausgeschlossen werden sollte.
Keine Leistung bei Arbeitsverweigerung
Weiterentwickelt werden soll außerdem das Thema Bürgergeld Sanktionen. Wer eine zumutbare und existenzsichernde Arbeit ohne wichtigen Grund ablehne, müsse umgehend seinen Leistungsanspruch verlieren. Kürzungen drohen ferner, wenn man bereits der ersten Einladung des Jobcenters keine Folge leistet. Ziel der Maßnahmen: Betroffene „so rasch wie möglich“ in Arbeit bringen. Dass mit strengeren Wohnraumregeln Ghettos drohen und Menschen nach einem Jobverlust bestraft werden, übersehen die Pläne. Sie sollen schlichtweg Angst machen. Das mit dem Bürgergeld eingeführte Schlichtungsverfahren bei Unstimmigkeiten zum Kooperationsplan soll den Plänen der Weiterentwicklung zufolge auch gestrichen werden.
Quelle: Beschluss des Präsidiums des Deutschen Landkreistages vom 7./8.5.2024
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