Arbeitnehmer, deren Einkommen nicht zum Leben reicht, können mit Hartz IV aufstocken. Diese Option haben auch Selbstständige. Laut den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit haben davon im November 78.495 Personen Gebrauch gemacht. Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) hat sich näher mit diesen Daten und den Umständen befasst.
Erst die Familie, dann das Amt
Der Leiter des Studienprojekts, Hans Jürgen Wolter, fasst die Ursachen zusammen: „Ein wesentlicher Grund, warum Selbstständige zusätzlich Arbeitslosengeld II beantragen, sind Unternehmenskrisen. In diesen Phasen können die Unternehmer und Freiberufler trotz intensiver Arbeitsleistung kein ausreichendes Einkommen erwirtschaften.“ Allerdings nutzen viele Selbstständige erst relativ spät Hartz IV.
Bevor aufgestockt wird, so die Studie, greifen Selbstständige auf ihre Ersparnisse zurück, fragen bei der Familie und drosseln die Ausgaben. Die Grundsicherung wird meist erst dann in Anspruch genommen, wenn das Einkommen bereits um 60 Prozent gesunken ist. Das ist für 74,4 Prozent der Anlass, Hartz IV zu beantragen. 28,5 Prozent gehen diesen Schritt, wenn das Vermögen und die Ersparnisse aufgebraucht sind.
System wird Selbstständigen nicht gerecht
Doch selbst mit Hartz IV bleibt Betroffenen nicht sonderlich viel zum Leben.
„Das monatliche Nettoeinkommen der Selbstständigen in der Grundsicherung liegt im Durchschnitt mit gerade einmal 390 Euro deutlich unter dem der abhängig beschäftigten Leistungsbezieher (746 Euro)“,
heißt es in der Studie. Der Grund dafür ist weder mangelnde Bildung noch die fehlende Arbeitsbereitschaft. Es liegt schlichtweg daran, dass Selbstständige von dem leben müssen, was übrig bleibt. Die Experten sprechen diesbezüglich vom Residualeinkommen.
Das eigentliche Problem: Hartz IV ist in erster Linie auf Arbeitnehmer zugeschnitten. Den schwankenden Einkommen von Selbstständigen wird das System indes nicht gerecht. Strittig ist auch die Verwertung des Vermögens, ehe die Grundsicherung greift. Im Hinblick auf die Alterssicherung sprechen sich die Autoren daher für eine allgemeine Rentenversicherungspflicht aus. Immerhin: „Etwa die Hälfte der Haushalte mit einem Selbstständigen ist nach gut einem Jahr nicht mehr auf die zusätzlichen staatlichen Leistungen angewiesen.“
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