Zu lasch, zu hoch, zu wenig, zu streng oder einfach nur ein alter Aufguss von Hartz IV: Seit die Ampel über das Bürgergeld spricht und es schließlich in Gesetzesform gegossen hat, wird eifrig darüber diskutiert. Wie die „größte Sozialreform seit 20 Jahren“ auf Twitter gesehen wird und wie hoch die Zustimmungswerte sind, hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) untersucht. Das Ergebnis: Es gibt nur ein Drittel Befürworter.
Kritische Äußerungen zur Reform
Der Hartz IV Nachfolger ist noch nicht einmal sechs Monate alt, gehört aber zu den Themen, die in den sozialen Medien besonders polarisieren. Parteien wie die AfD haben das Bürgergeld von Anfang an als rotes Tuch gesehen. Doch auch Sozialverbände äußern sich eher kritisch zu den Neuerungen. Das spiegelt sich auch in den Tweets rund um das Bürgergeld wider.
138.000 Tweets ausgewertet
138.000 dieser Kurznachrichten samt Antworten und Zitaten haben die Ökonomen Matthias Diermeier und Holger Schäfer vom IW analysiert. Dabei betonten beide, unabhängig von den Tweets:
„Der politische Kompromiss am Ende des Vorhabens ließ wenig vom eigentlichen Reformversprechen übrig.“
Auch dieser Umstand wurde und wird von vielen Twitter-Usern aufgegriffen.
Bürgergeld Kompromiss: Respekt und Vertrauen bleiben auf der Strecke
Beliebtestes Thema: der Regelsatz
Die größte Resonanz haben jedoch die neuen Bürgergeld Regelsätze. Statt 449 erhält ein Single jetzt 502 Euro. Ebenfalls sehr oft thematisiert wurde die Vertrauenszeit, die im Rahmen des vom IW angesprochenen Kompromisses kurzerhand gestrichen wurde. Sie hätte neuen Betroffenen ein Jahr die Chance gegeben, sich erst einmal zurechtzufinden, ohne von Anfang an unter enormen Druck zu stehen. Oder anders ausgedrückt: Mit der Vertrauenszeit wäre die Jobsuche befreiter möglich gewesen.
Neutrale Tonalität überwiegt
Insgesamt zeige sich, so die Autoren:
„Die kritischen Äußerungen im Kontext des Bürgergelds hat in allen Gruppen überwogen.“
Erfolgreich waren dabei – typisch für Twitter – eher überspitzte Aussagen. Die Mehrheit der Tweets war allerdings in einem eher neutralen Ton verfasst (70 Prozent). Das gilt vor allem für Politiker der FDP. Klar negativ intoniert waren 28 Prozent der Nachrichten (hauptsächlich von „Die Linke“) und positiv lediglich 1,6 Prozent. Negativ heißt in dem Zusammenhang jedoch nicht, dass der Verfasser des Tweets das Bürgergeld ablehnt. Es geht hier ausschließlich um die Tonalität.
AfD-Tweets am häufigsten geteilt
Am häufigsten geteilt wurden laut IW-Studie die Tweets der AfD. Die Nase vorn hatte hier Alice Weidel, deren Beitrag 1.553-fach geteilt und 9.299-mal gelikt wurde. Der beliebteste Tweet der FDP stammt von Jens Teutrine, der sich vor allem an junge Bürgergeld Bedürftige wendet und ihnen erklärt, dass ihnen bei einer Ausbildung jetzt mehr Geld bleibt als mit Hartz IV.
Unterschiede bei der Bewertung des Bürgergelds
Wie das Bürgergeld konkret eingeschätzt wird, ergab eine Umfrage des IW unter 5.000 Personen. Auffällig, aber durchaus zu erwarten: Grüne und FDP liegen in der Einschätzung, ob das Bürgergeld zu wenige Arbeitsanreize liefere und die Sozialkassen zu sehr belaste, 40 Prozent auseinander.
Überschaubare Reformzustimmung
Grüne und SPD monieren vor allem die zu geringe Tragweite der Reform, wohingegen die FDP sich unzufrieden über die Lockerungen zeigt. Die größte „Zu-viel-Reform-Kritik“ stammt von Anhängern der AfD. Für das Bürgergeld sprechen sich am ehesten noch Wähler der Grünen und der SPD aus. Doch selbst damit bleibt die Zustimmung bei nur einem Drittel – womit eindrucksvoll bewiesen ist, dass der Schnellschuss der Ampel die Mehrheit der Deutschen schlicht enttäuscht.
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