Den Hammer an den Nagel hängen. Für viele Senioren nach 40 oder 45 Jahren harter Arbeit selbstverständlich. Die Füße hochlegen, mit den Enkeln spielen, reisen. Wenn nun aber die Sorge vor Altersarmut überwiegt, schleppt man sich auch noch im hohen Alter zur Maloche. Über 1,3 Millionen Rentnerinnen und Rentner arbeiten weiter. Oft, weil die Rente so niedrig ist, dass sie nicht einmal der Armutsschwelle der EU für Deutschland entspricht.
Schleichender Prozess
Es ist ein schleichender Prozess, auf den Sozialverbände seit Ewigkeiten aufmerksam machen: Immer mehr Rentnerinnen und Rentner geht es finanziell schlecht. Nicht nur gefühlt. Sie leben offiziell in Armut. Das betraf im Jahr 2020 bereits 16,1 Prozent aller Über-65-Jährigen. Bis 2023 stieg die Quote auf 18,6 Prozent. Dass diese Kurve auf Dauer wieder nach unten zeigt, ist eher unwahrscheinlich. Betrachtet man lediglich den Bereich Frauen, so stehen hier traurige 20,2 Prozent zu Buche. Das lässt sich auch in Euro und Cent ausdrücken: 1,6 Millionen Rentnerinnen haben monatlich weniger als 954 Euro zur Verfügung.
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Vom Schraubstock ins Sozialamt
Auch chronisch kranke Menschen, die schlichtweg nicht mehr arbeiten können, sind im Alter oft gezwungen, Hilfe beim Sozialamt zu beantragen. Matthias M. Birkwald, der renten- und alterspolitische Sprecher der Gruppe Die Linke im Bundestag, hat dazu und generell zur Altersarmut in Deutschland Zahlen zusammengetragen. Seine Auswertung ergab: Jede sechste Erwerbsminderungsrente muss auf Dauer mit Grundsicherung im Alter aufgestockt werden.
Rente reicht auch nach 45 Jahren Arbeit nicht
Und wer nun glaubt, „ich arbeite, mir kann das nicht passieren“ – der sollte die rosarote Brille der sicheren Rente schnellstmöglich absetzen. Der Anteil der Senioren, die nach 40 und mehr Arbeit weniger als 1.250 Euro Rente erhielten – das entspricht der Armutsschwelle – lag am 31. Dezember 2023 bei 33,3 Prozent. Bei denen, die 45 Jahre und mehr Jahre Arbeit auf dem Buckel haben, immer noch bei 24,8 Prozent. Jeder dritte beziehungsweise jeder vierte Rentner geht damit finanziell am Stock.
Nicht jeder kann weiterarbeiten
Sicherlich gibt es viele Menschen, die auch im Alter noch gerne arbeiten. Einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge arbeiten 99 Prozent der Männer und 96 Prozent der Frauen aus Spaß auch noch im Ruhestand. Für 52 beziehungsweise 36 Prozent ist es aber die finanzielle Situation. Da überwiegt dann nicht der Kontakt zu den alten Kollegen, sondern die Sorge, wie man über den Monat kommt.
Spaltung im Alter
Das Problem: Nach Jahren schwerer körperlicher Arbeit sind viele nicht mehr in der Lage, einen Minijob anzunehmen. Sie können ihre Rente nicht aufbessern. Anders bei Menschen, die oft gut bezahlt und nicht körperlich anstrengend arbeiten mussten. Für sie war es kein Problem, privat vorzusorgen, und sie können auch jetzt noch die Haushaltskasse füllen. Auch diesbezüglich spricht der Sozialverband VdK von einer Spaltung. Denn Menschen zu motivieren, länger zu arbeiten, übersieht all jene, die es nicht mehr schaffen. Jene, die von der Arbeit „kaputt“ sind.
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Malocher nicht länger benachteiligen
„Altersarmut darf nicht zum eigenen Versagen werden“, mahnt der VdK und davor, dass Menschen, die nicht mehr arbeiten können, schon jetzt doppelt benachteiligt werden. Die Lösung, die seitens der Gruppe Die Linke vorgeschlagen wird: eine einkommens- und vermögensgeprüfte solidarische Mindestrente von 1.250 Euro. Zudem bedürfe es einer Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen, auch Beamte und Selbstständige – damit auch Politiker. Davon möchte in der Regierung aber niemand etwas wissen.
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