Menschenverachtend. Der Hungerturm für Bürgergeld Bedürftige steht offen. Die Ampelregierung hat die Pforten mit der Möglichkeit einer 100-Prozent-Sanktionierung ganz weit aufgestoßen. Deutlich weiter, als bisher angenommen wurde. Nicht nur zwei Monate ohne Leistungen aus dem Regelsatz. Nein, bis zu acht Monaten im Jahr soll Totalverweigerern die Grundsicherung für Arbeitssuchende gestrichen werden. Lediglich die Kosten für Unterkunft und Heizung werden dann noch getragen.
Erneute Minderung möglich
Bekannt war bislang, dass Leistungsminderungen über 100 Prozent für bis zu zwei Monate möglich sein sollen, wenn jemand ein zumutbares Arbeitsangebot ablehnt. Das war allerdings zu kurz gedacht. Denn es bleibt nicht bei zwei Monaten. Sobald ein Bürgergeld Bedürftiger sich erneut willentlich verweigert und eine relevante Vor-Pflichtverletzung innerhalb der Jahresfrist vorliegt, werden die Leistungen erneut entzogen. So erklärt es das zuständige Bundesarbeitsministerium.
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Bundestag entscheidet im Februar
Da laut Ministerium
„ein Leistungsentzug erst im Folgemonat nach der Feststellung der konkreten Arbeitsverweigerung wirksam wird“,
ergibt sich aus diesem Umstand die Möglichkeit, Betroffenen bis zu acht Monate im Jahr den Bürgergeld Regelbedarf komplett zu streichen. Die Regierung selbst hat diese Pläne bereits abgesegnet. Anfang Februar entscheidet dann der Bundestag, ob es zu 100-Prozent-Sanktionen beim Bürgergeld kommt. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch. Denn genau dieses Vorgehen fordern CDU und CSU schon lange.
Kein bedingungsloses Grundeinkommen
Begründet wird der Schritt, den Regelsatz nicht nur zu 30, sondern mit zu 100 Prozent zu kürzen, von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit dem Hinweis, dass es sich beim Bürgergeld nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen handelt. Man müsse ein deutliches Zeichen setzen, wenn jemand Arbeit ohne Grund ausschlage. Denn ein solches Verhalten finde in der Bevölkerung kein Verständnis. Hubertus Heil hofft, dass die 100-Prozent-Sanktionen die Debatte ums Bürgergeld „versachlichen“.
Der Bogen wird überspannt
Das ist wohl eher nicht der Fall. Schon bei der Ankündigung der Maßnahme hagelte es Kritik. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Dr. Ulrich Schneider, warnt die Jobcenter, das Bürgergeld komplett zu streichen. In einem Interview betonte er:
„Es wird Widersprüche hageln.“
Auch der Grünen-Arbeitsmarktexperte Andreas Audretsch befürchtet, dass die Regierung den Bogen überspannt. Denn:
„Artikel eins unseres Grundgesetzes garantiert allen Menschen in Deutschland ein Leben in Würde.“
Es gebe sehr strenge Vorgaben zur Kürzung des Existenzminimums.
Misstrauen wird befeuert
Innerhalb der SPD brodelt es auch. Der Bundestagsabgeordnete Erik von Malottki hält es für „nicht hinnehmbar“, wenn Menschen monatelang keine Mittel mehr zur Existenzsicherung haben. Auf den Punkt bringt es die Grüne Jugend: Sie spricht von einem menschenunwürdigen Plan beim Bürgergeld. Mehr noch: Hubertus Heil untergrabe die Zustimmung zum Sozialstaat und trage dazu bei, dass
„ein allgemeines Misstrauen gegenüber Arbeitslosen noch weiter befeuert“
werde.
Das Zahlenwerk
Laut Hochrechnungen – ausgehend von der geplanten Einsparung in Höhe von 170 Millionen Euro – geht die Ampel von 150.000 Bürgergeldempfängern aus, denen für zwei Monate der Regelsatz komplett gekürzt wird. Das widerspricht allen Zahlen, die aktuell vorliegen.
Die Bundesagentur für Arbeit selbst wagt keine Prognose zu den 100-Prozent-Sanktionen, nennt aber Daten zu Leistungsminderungen. 137.866 Sanktionen wurden von Januar bis August 2023 ausgesprochen – der überwiegende Teil aufgrund von Meldeversäumnissen. Arbeitsverweigerung lag nur in 8.500 Fällen vor. Da darf man gespannt sein, wie 170 Millionen Euro zusammenkommen sollen – vermutlich durch mehr Härte und weniger Augenhöhe beim Bürgergeld.
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