Mit der Entscheidung, die Hartz IV Sanktionen bis Mitte kommenden Jahres auszusetzen, hat die Ampelkoalition für eine breit gefächerte Debatte gesorgt. Manche wünschen sich ein endgültiges Aus für die Leistungskürzungen, so wie die Linke. Andere, insbesondere aus den Reihen der Christdemokraten, sehen im Sanktionsmoratorium eine „Ohrfeige für Fleißige“. Doch wer hat recht?
Moratorium macht CDU-Vertreter wütend
Leistungsempfänger müssten sich ernsthaft um Arbeit bemühen, sagt die Mittelstandsvereinigung Baden-Baden/Rastatt. Schließlich finanzierten die Steuerzahler den Sozialstaat und dürften daher im Gegenzug etwas Engagement erwarten. Deshalb warnt die MIT mit Blick auf das Sanktionsmoratorium für Hartz IV Bedürftige:
„Wer solche Regelungen auf den Weg bringt, der gefährdet massiv den sozialen Frieden in unserem Land.“
Ähnlich argumentieren viele weitere Ortsverbände und Mittelstandsvereinigungen der CDU. Das deckt sich mit den Äußerungen der CDU-Fraktionen im Rahmen der Bundestagsdebatte.
Wissenschaftliche Erkenntnisse auswerten
Eigentlich könnte man aufseiten der Gegner ganz beruhigt sein. Denn die zwölf Monate beim Aussetzen der Hartz IV Sanktionen werden dazu genutzt, um die Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse auszuwerten, damit sie in das Konzept für das Bürgergeld einfließen. Stellt sich heraus, dass Sanktionen sinnvoll sind, werden sie wohl im vollen Umfang und mit Leistungskürzungen bis zu 30 Prozent zurückkehren.
Arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiv
Aber: Bislang gibt es kaum Erkenntnisse, dass Sanktionen gegen Hartz IV Bedürftige tatsächlich ihrem ursprünglich angedachten Zweck gerecht werden. Die Fraktion „Die Linke“ hat dazu in ihrem Antrag, komplett auf Sanktionen zu verzichten, gleich eine ganze Reihe von Aussagen gesammelt und erklärt, dass die Maßnahmen „arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiv“ seien.
Überforderung der Jobcenter
Langzeitarbeitslosigkeit werde oft auf das fehlerhafte Verhalten Hartz IV Betroffener zurückgeführt. Deshalb greife man auf Sanktionen zurück. In einer Stellungnahme des Deutschen Sozialgerichtstages werde jedoch betont, dass Sanktionen nicht die Folge individuelle Fehler seien, sondern die Überforderung der Jobcenter widerspiegelten.
Falsches Bild Erwerbsloser
Befeuert werde der Wunsch nach Sanktionen vor allem durch das Bild vom arbeitsunwilligen Hilfebedürftigen. Die Realität sehe jedoch anders aus, bestätige die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit (BA).
„Die vielfältigen, auch eigeninitiativ ergriffenen Aktivitäten der Hilfebezieher“
widersprächen dieser Einschätzung.
Sanktionen führen zu niedrig entlohnter Arbeit
Das nächste Problem: Hartz IV Bedürftige würden durch Sanktionen in niedrig entlohnte Arbeit gedrängt. Hierzu hat das Forschungsinstitut der BA ebenfalls eine Studie vorgelegt: Menschen, die nicht sanktioniert wurden, befänden sich nach fünf Jahren demnach in deutlich besseren Arbeitsverhältnissen. Im Umkehrschluss heißt das:
„Sanktionen können sich längerfristig auf die Beschäftigungsqualität auswirken.“
Erwerbsbemühungen werden verhindert
Besonders schwerwiegend dürfte das Argument sein, dass „finanzielle Mangellagen“ nachhaltige Erwerbsbemühungen behindern. Durch die Existenzsorgen würden Zeit und Energie gebunden. Viele brächen daher den Kontakt zum Jobcenter ganz ab.
Sanktionen diskriminieren
Das gelte vor allem für Menschen mit niedrigem Schulabschluss. Sie würden, so ein Beitrag in der „Zeitschrift für Sozialreform“, aus dem die Fraktion zitiert, deutlich häufiger sanktioniert. Und das nicht, weil sie öfter ihre Pflichten verletzten. Es sei schlichtweg Diskriminierung. Daher würde das Aus der Sanktionen auch eher zu einer Gleichbehandlung führen.
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Kommen die Sanktionen zurück?
All diese Argumente gegen Sanktionen – überwiegend wissenschaftlich fundiert – zählen offenbar nicht. Der Antrag der Linken-Fraktion wurde abgelehnt. Dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu anderen Ergebnissen kommen, ist eher unwahrscheinlich. Und trotzdem halten einige Parteien an den Leistungskürzungen fest. Warum? Weil das Bild vom faulen Hartz IV Bedürftigen, dem man das Geld streicht, nach wie vor Wählerstimmen bringt.
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