Ein bestimmtes Schulheft hier, spezielle Stifte dort: Der Schulbesuch geht ins Geld. Davon können viele Familien ein Lied singen, besonders im Bürgergeld-Bezug. Denn die Leistungen für den Schulbedarf sind viel zu knapp bemessen. Hochrechnungen des Paritätischen Gesamtverbandes haben eine Deckungslücke von 14 Prozent ergeben. Zusätzlich müssen sich Betroffene mit bürokratischen Hürden herumschlagen und in Vorleistung gehen – was vielen schlicht nicht möglich ist.
174 Euro für den persönlichen Schulbedarf
Dass die im Bürgergeld bzw. Kinderzuschlag für den persönlichen Schulbedarf in diesem Jahr vorgesehenen 174 Euro aus dem Bildungs- und Teilhabepaket – aufgeteilt in 116 Euro für das erste und 58 Euro für das zweite Schulhalbjahr – nicht reichen, darüber haben wir berichtet. Ebenso über die Aktion des Vereins Sanktionsfrei, der betroffenen Familien im Rahmen einer Auslosung mit 150 Euro zum Schulstart hilft.
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Forderung: mindestens 200 Euro
Bereits die Kosten für einen guten Schulranzen würden die 174 Euro übersteigen oder zumindest weitgehend schlucken. Dann bleibt nicht viel Luft, um vom Bürgergeld die übrigen Schulkosten zu stemmen. Das bestätigt jetzt auch der Paritätische Gesamtverband. Er fordert 14 Prozent mehr und damit 200 Euro für den persönlichen Schulbedarf im Bildungs- und Teilhabepaket (BuT). Ferner müssten hochpreisige Bedarfsartikel wie der Schulranzen als Sonderleistung im Bürgergeld übernommen werden.
Testkäufe und hohe Inflation
Hintergrund dieser Forderung sind Testkäufe und die Daten des Statistischen Bundesamtes. Demnach sind Papierprodukte wie Schulhefte um 14 Prozent teurer geworden und damit im Preis doppelt so stark gestiegen wie die allgemeine Inflation. Die Käufe ergaben: In Berlin summieren sich für die Einschulung eines Erstklässlers 135 Euro plus Schulranzen und Sportsachen. Für die fünfte Klasse sind es bereits 165 Euro – im günstigsten Fall.
Gleiche Chancen für alle Kinder
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Dr. Ulrich Schneider, betont angesichts dieser Zahlen:
„Keine Familie sollte sich finanzielle Sorgen machen müssen, weil das Kind ein Schulheft oder einen rückenfreundlichen Schulranzen braucht.“
Für einen Sozialstaat sei es unwürdig, wenn Menschen durch die Einkäufe am Schuljahresbeginn in existentielle Not gerieten. Vielmehr müsse dafür gesorgt werden,
„dass jedes Kind von Beginn an die gleichen Möglichkeiten hat und teilhaben kann“.
Bürokratisch und beschämend
Diese Aussage würde Thomas Wasilewski vermutlich sofort unterschreiben. Der Vater und Bürgergeld-Aktivist hat jetzt zum Schuljahresbeginn in Nordrhein-Westfalen einmal mehr die bürokratischen Hemmnisse zu spüren bekommen.
„Die Beantragung des Mehrbedarfs (Schulbücher) nach § 21 Abs. 6a SGB II ist sehr bürokratisch und beschämend für die Kinder“,
schreibt er.
Zur Information: Neben dem persönlichen Schulbedarf aus dem Bildungspaket kann auch Mehrbedarf für Schulbücher beantragt werden. § 21 Absatz 6a des SGB II regelt die Mehrbedarfe und besagt:
„Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.“
Viel Papierkram
Das Problem: Sobald der Nachwuchs 15 Jahre alt ist und damit nicht mehr der Schulpflicht unterliegt, muss dem Jobcenter zunächst eine Schulbescheinigung vorgelegt werden. Im Schreiben, das Thomas Wasilewski erhalten hat, heißt es dazu:
„Der Bewilligungszeitraum ist daher nicht maßgeblich, sondern der tatsächlich nachgewiesene Schulbesuch für das entsprechende Schuljahr.“
Mehr noch: Weil das Schreiben der Schule „nicht sehr eindeutig“ sei, müssen auch die ISBN der entsprechenden Bücher nachgereicht werden.
An der Realität vorbei
Helena Steinhaus vom Verein Sanktionsfrei bezeichnet das Bildung- und Teilhabegesetz daher als den „letzten Scheiß“. Sie berichtet von einem Fall, bei dem eine auf das Bürgergeld angewiesene Familie die Kosten für die Klassenfahrt vorstrecken sollte. Der Betrag werde erst anschließend erstattet. Für die Vereinsgründerin steht fest: Das ist „völlig an der Realität vorbei“. Vor allem aber entspricht es nicht dem Versprechen von Chancengleichheit und weniger Bürokratie.
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