50 Euro mehr für alleinstehende Hartz IV Bedürftige, und schon wird heftig nach unten getreten. Dabei wird schnell vergessen, dass auch Beschäftigte Anspruch auf Leistungen vom Staat haben, etwa Wohngeld. Diese Hilfen werden nur nicht in Anspruch genommen, so der Duisburger Soziologe Gerhard Bäcker. Hinzu kommt in der aktuellen Situation Sozialneid, der aus Sicht des Armutsforschers Christoph Butterwegge auch die Union bei ihrer Blockadeabsicht antreibt.
Kritik am Bürgergeld
Kaum, dass die neuen Regelsätze für Hartz V feststanden, wurden Zweifel geäußert, ob sich Arbeit überhaupt noch lohne. Diese Kritik hält bis heute an und ist einer der Gründe, warum CDU und CSU das Bürgergeld-Gesetz im Bundesrat blockieren wollen. Sie halten das Bürgergeld für eine bequeme soziale Hängematte, in der es sich gut aushalten lässt.
Regelsätze sind nicht zu hoch
Dem widerspricht der Sozialwissenschaftler Gerhard Bäcker. Aus seiner Sicht ist der Hartz V Regelsatz nicht zu hoch und ermögliche auch kein angenehmes Leben, schon gar nicht bei einer Inflation über zehn Prozent. Dieser soll sich ab 2023 auf 502 Euro für einen alleinstehenden Erwachsenen belaufen.
Kritikern rät er daher, sie sollen ein Leben unter Bürgergeld-Konditionen
„einmal für sich selbst ausprobieren“.
Unseriöse Argumentation gegen die Grundsicherung
Auch der Aussage, Hartz IV Bedürftige hätten später mehr Geld zur Verfügung als Menschen im Niedriglohnbereich, stellt sich Bäcker im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) entgegen. Denn:
„Wer nur auf die Regelsätze der Grundsicherung abstellt, argumentiert unseriös.“
Leistungen werden nicht in Anspruch genommen
In diesem Zusammenhang erinnert Gerhard Bäcker an die möglichen Ansprüche auf Wohngeld, Kindergeld und den Kinderzuschlag – zusätzlich zum Gehalt. Vielen sei das nicht bekannt. Deshalb würden Leistungen der Grundsicherung oft nicht Anspruch genommen. Teils, gerade bei älteren Menschen, auch aus Angst vor „dem Stigma der Bedürftigkeit“.
Mehr Informationen nötig
Das eigentliche Problem sei daher der fehlende und unzureichende Gebrauch der Leistungen. Gerhard Bäcker sieht die Gründe dafür unter anderem im viel zu komplizierten System. Er fordert daher, umfangreiche Beratung und deutlich mehr Transparenz hinsichtlich der Möglichkeiten, die der Sozialstaat bietet.
Wachsender Sozialneid
Auch Armutsforschers Christoph Butterwegge hat sich mit dem Widerstand gegen das Bürgergeld auseinandergesetzt. Er führt die Blockadehaltung auf wachsenden Sozialneid nach unten zurück. Normal wäre, wenn der Ruf nach höheren Steuern für Reiche laut würde. Stattdessen rückten jene in den Fokus, die wenig bis gar nichts haben. Genau da setze die Union gerade an.
Ängste entsprechen nicht der Realität
„Man suggeriert, dass nach der Einführung des im Vergleich zu Hartz IV nur wenig höheren Bürgergeldes kaum noch jemand arbeiten wolle und es sich viele Geringverdiener lieber in der Hängematte des Sozialstaates bequem machen würden“,
so Butterwegge. Das sei der typische Sozialneid, der nicht der Realität entspreche.
Armutsforscher: Leben in Würde mit Hartz IV nicht möglich
Jeder kann in Not geraten
Warum das so ist, erklärt der Armutsforscher damit, dass Einkommensschwache sich auf diese Weise selbst zu Leistungsträgern zählen und das Gefühl hätten, keiner von den Sozialschmarotzern sein, die nur auf dem Sofa lägen.
„So vertreibt man die Angst, persönlich vom sozialen Abstieg erfasst zu werden“,
erläutert Christoph Butterwegge und erinnert daran, wie schnell jeder in der aktuellen Krisensituation in Not geraten kann.
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