Auch im vergangenen Jahr wurde hunderttausenden Haushalten der Strom gesperrt, weil sie die horrenden Kosten nicht bezahlen konnten. Unter den Betroffenen zahlreiche Hartz IV- und Sozialhilfeempfänger. Untragbar, findet der Paritätische Wohlfahrtsverband und fordert eine grundlegende Reform des Systems.
Knapp 300.000 Stromsperren
289.000 Haushalte mussten im Jahr 2019 zumindest zeitweilig ohne Strom leben. Der Grund: Sie konnten ihre Rechnungen nicht bezahlen (buergergeld.org berichtete). Hartz IV Bedürftige sind derweil besonders häufig von Stromsperren betroffen. Anders als die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU), müssen die Stromkosten aus dem Hartz IV Regelsatz bezahlt werden – und der deckt die rasant steigenden Strompreise nicht.
Paritätischer: Strom muss bei Hartz IV übernommen werden!
Eine untragbare Entwicklung, findet der Paritätische Gesamtverband und fordert einen drastischen Kurswechsel:
„Strom dürfe künftig nicht mehr im Regelsatz pauschaliert erfasst werden, sondern müsse wie Miete und Heizkosten übernommen werden“, heißt es in einer Pressemitteilung des Wohlfahrtsverbandes.
Genau wie die KdU sollten auch Stromkosten von Hartz IV Empfängern vom Leistungsträger übernommen werden. Energie gehöre, so der Paritätische weitern, ebenso zum Existenzminimum wie Wohnung und Heizung.
Soziale Katastrophe: Stromsperren sind „barbarisch“
Die vollständige Abschaltung des Stroms sei vor diesem Hintergrund aus Sicht des Paritätischen eine „barbarische“ Maßnahme. Gerade bei Familien mit kleinen Kindern, alten und kranken Menschen seien Stromsperren schlichtweg nicht hinnehmbar. Auch Linken-Politikerin Amira Mohamed Ali erkennt die soziale Ungerechtigkeit der Stromsperren und kritisiert in einer Pressemitteilung, die Buergergeld.org vorliegt, offen die Untätigkeit der Regierung:
„Die Bundesregierung ignoriert die soziale Katastrophe der Stromsperren und behauptet, dass Grundsicherung und Hartz IV für die Energieversorgung ausreichen„.
Info: In der Corona-Krise wurden Stromsperren vorübergehend ausgesetzt. Mehr dazu hier.
Mindestens 600 Euro Hartz IV
Der Paritätische schlägt indes eine Lösung für das Problem vor: Der Regelsatz müsse deutlich angehoben werden, um die Bedarfe des täglichen Lebens auch wirklich zu decken. Mit einer Anhebung des Regelsatzes auf 644 Euro könnte dieses Ziel erreicht werden:
„Alle Expert*innen sind sich einig, unter 600 Euro reicht es auf keinen Fall. Die Bundesregierung muss endlich ihre umstrittenen Methoden der Regelbedarfsermittlung korrigieren und zu einem Verfahren finden, das sich an der Lebensrealität orientiert“, so Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen.
Die Mehrkosten einer solchen Anhebung des Regelsatzes werden laut Paritätischem Gesamtverband auf 14,5 Milliarden Euro jährlich geschätzt.
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