Sie müssen regelmäßig ausbaden, was die Jobcenter, die Bundesagentur für Arbeit (BA) und das Bundesarbeitsministerium verbocken: die Sozialgerichte. Auch sie haben sich über den Deutschen Sozialgerichtstag e.V. (DSGT) mit dem Referentenentwurf für das neue Bürgergeld befasst und sehen teils erhebliche Probleme. Die Regierung habe sich nicht gründlich genug mit den Wirkungen der geplanten Änderungen befasst.
Kein stimmiges Gesamtgefüge
Dass der Deutsche Sozialgerichtstag kein Loblied auf den bisherigen Stand der Hartz IV Reform singen würde, war abzusehen. Dafür fehlen zu viele Informationen. Darauf macht der Verein sehr deutlich aufmerksam. Ansätze zu Änderungen seien zwar vorhanden. Sie ließen „jedoch ein stimmiges Gesamtgefüge (noch) nicht erkennen“.
Holzschnittartiger Entwurf
Schon die grundsätzlichen Anmerkungen gehen hart mit dem Entwurf ins Gericht. Er sei eher „holzschnittartig“. Vor allen Dingen aber sei „der gewünschte Charakter eines Bürgergelds noch nicht wirklich und endgültig herausgearbeitet“ worden.
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Es mangelt an Bestimmtheit
Viele Regelungen, etwas zur Größe von selbstgenutzten Hausgrundstücken oder Wohnflächen, seien viel zu kleinteilig. Bei anderen Vorgaben mangele es hingegen an der erforderlichen Bestimmtheit. Der Deutsche Sozialgerichtstag sieht das mit Sorge, insbesondere
„im Hinblick auf den daraus resultierenden problematischen Verwaltungsvollzug, aber auch die sich daran anschließenden Streitfragen, die im sozialgerichtlichen Verfahren ausgetragen werden müssten“.
Fehlende wissenschaftliche Grundlage
Kritisch sieht der Verein auch die Abkehr vom Gegenseitigkeitsprinzip, also dem Prinzip des Förderns und Forderns. Dieser Schritt sei möglich, müsse aber nachhaltiger und stärker als jetzt auf wissenschaftlichen Grundlagen basieren sowie „den Handlungsrahmen und die Handlungsziele für die Jobcenter konkreter bestimmen“.
Jobcenter können die Vorgaben nicht umsetzen
Der Deutsche Sozialgerichtstag hegt zudem Zweifel daran, dass die Jobcenter in der Lage sind, die neuen Vorgaben umzusetzen. Die Behörden müssten sich deutlich stärker als bisher mit der Mitarbeiterqualifikation und den Leistungsberechtigten auseinandersetzen. Dem werde bis jetzt nicht ausreichend Rechnung getragen.
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Keine Antwort zu den Lebenshaltungskosten
Der größte Kritikpunkt ist und bleibt jedoch, dass keine Antworten auf die Lebenshaltungskosten und die Übernahme der Energiekosten gegeben werden. Die Forderung:
„Der DSGT tritt nachdrücklich dafür ein, die Bedarfsdeckungsfrage der Lebenshaltungs- und Energiekosten in diesem Gesetzesentwurf mitzubeantworten, um ein konsistentes, bürgernahes und situationsgerechtes Gesetz auf den Weg bringen zu können.“
Das aktuelle Regelbedarfssystem hat Schwächen
Dabei greift der Deutsche Sozialgerichtstag die aktuelle Debatte auf, wie Hartz IV Bedürftigen besser geholfen werden kann. Als Problem sieht der DSGT das derzeitige Regelbedarfssystem. Es weise Schwächen auf, die „auf wissenschaftlicher Basis behoben werden müssen“.
Das Pauschalmodell der bedarfsdeckenden Regelleistungen im SGB II sei ein problembehaftetes System.
„Es ist dringend erforderlich, dass der Gesetzgeber sofort eine adäquate Reaktion für diesen Bereich vorlegt“,
mahnt der Verein.
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Fazit: Der Bürgergeldentwurf ist unvollständig
Das Fazit fällt dementsprechend schlecht aus: Die Umsetzung des Paradigmenwechsels vom Arbeitslosengeld II oder auch Hartz IV hin zur neuen Leistung des Bürgergelds wird vom DSGT „als in wesentlichen Punkten unvollständig“ angesehen.
Stellungnahme des Deutschen Sozialgerichtstages e.V.
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