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Strafen für Hartz IV Bedürftige bleiben wohl Alltag

Frau wirkt zornig und entsetzt

Keine Hartz IV Sanktionen mehr: Mit diesem Wunsch ist die Fraktion „Die Linke“ vorgeprescht und klar gescheitert. Und das, obwohl selbst aus den Reihen der Jobcenter inzwischen, wenn auch nur leise, zu hören ist, dass Sanktionen ihre gewünschte Wirkung verfehlen. Das Sanktionsmoratorium, das ab dem 1. Juli für ein Jahr greift, gibt jetzt die Chance, die Kürzung der Regelleistung bei Verstößen neu zu überdenken.

Hartz IV Strafen polarisieren

Dass die Hartz IV Sanktionen ein Thema sind, das polarisiert, hat sich bereits in der Debatte um das Moratorium gezeigt. Ursprünglich sollte vorübergehend ganz auf Sanktionen verzichtet werden. Diesen Referentenentwurf hat man überarbeitet, um zumindest den häufigsten Regelverstoß – Meldeversäumnisse – auch weiterhin sanktionieren zu können: mit 10 Prozent.

Sanktionen stellen Hartz IV Bedürftige unter Generalverdacht

Systemwidrige Entscheidung

Der Jurist Professor Dr. Gregor Thüsing, ein Befürworter der Sanktionen, hält diese Entscheidung für systemwidrig, weil weitergehende Pflichtverletzungen straffrei blieben, weniger weitgehende hingegen nicht. Das Bundesverfassungsgericht habe zudem keine Abschaffung der Sanktionen gefordert.

Das Bundesverfassungsgericht zu Sanktionen

Die Richter hätten in Leitsatz 2 zu ihrem Urteil (Aktenzeichen 1 BvL 7/16 vom 5. November 2019 vielmehr deutlich gemacht:

„Der Gesetzgeber kann erwerbsfähigen Menschen, die nicht in der Lage sind, ihre Existenz selbst zu sichern und die deshalb staatliche Leistungen in Anspruch nehmen, abverlangen, selbst zumutbar an der Vermeidung oder Überwindung der eigenen Bedürftigkeit aktiv mitzuwirken. Er darf sich auch dafür entscheiden, insoweit verhältnismäßige Pflichten mit wiederum verhältnismäßigen Sanktionen durchzusetzen.“

Das sagt die Bundesagentur für Arbeit

Auf diesen Leitsatz beruft sich auch die Bundesagentur für Arbeit. Sie hält einen Verzicht auf Minderungen bei Hartz IV für kontraproduktiv. Denn es „dürfte sowohl den leistungsberechtigten Personen, die sich gesetzeskonform verhalten, als auch den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern und somit der Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger nur schwer zu vermitteln sein“.

Hartz IV Sanktionen lassen die Staatskasse klingeln

Regeländerungen nur schwer zu kommunizieren

Hinzu komme, dass sich das Hin und Her im Regelwerk später nur schwer kommunizieren lasse. Das gelte vor allem bei der Umsetzung durch die Mitarbeiter in den Jobcentern. Deshalb sollte die seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes angewendete Praxis weitergeführt werden.

Das sagen die Jobcenter

Die Meinung der Bundesagentur für Arbeit entspricht jedoch nur bedingt dem, was einige Jobcenter-Leiter sagen. Das mag für Pirmasens gelten, wo man befürchtet, einige Hartz IV Bedürftige gar nicht mehr zu sehen.

In Emden hingegen heißt es: „Motivation schafft man nicht mit Strafen“. In einem Interview erklärte der Geschäftsführer des dortigen Jobcenters, Bernd Leiß: „Sanktionen sind bei uns faktisch kein Thema.“

Verbände fordern das Ende der Sanktionen

Damit bestätigt man in Emden die Einschätzung der Sozialverbände. Der Paritätische Gesamtverband macht deutlich, dass man Hartz IV Bedürftige und die Verwaltung gleichermaßen von den Sanktionen entlasten müsse. Dann könne man „endlich dazu übergehen, durch den Verzicht auf Sanktionen freiwerdende Ressourcen der Jobcenter für eine bessere Förderung und Vermittlung auszubauen“.

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Die Zukunft mit dem Bürgergeld

Zwar möchte man die zwölf Monate nutzen, um wissenschaftliche Erkenntnisse und die Erfahrungen aus dem Sanktionsmoratorium auszuwerten. Dass es auch weiterhin beim Bürgergeld Kürzungen geben wird, ist jedoch ein offenes Geheimnis. Schließlich möchte die FDP als Koalitionspartner weiterhin bis zu 30 Prozent kürzen dürfen. Dass man von der Hartz IV Praxis abweicht, ist eher unwahrscheinlich.

Bild: MARALEM/ shutterstock.com

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