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Streit um simple Bürgergeld E-Mail vom Jobcenter eskaliert

Schlicht-hoheitliches Handeln oder eine Regelung im Sinne der Norm und damit ein Verwaltungsakt: Der Rechtsstreit um eine E-Mail des Jobcenters an eine Bürgergeld Bedürftige lässt sich hochtrabend juristisch in Worte kleiden. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Stellt das Schreiben lediglich einen Hinweis dar oder hat es einen verbindlichen Charakter? Mit dieser Frage musste sich das Sozialgericht Darmstadt (S 32 AS 615/22) befassen – und gab dem Jobcenter recht.

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Teilnahme am Sprachkurs empfohlen

Der Fall: Eine 46-jährige Bürgergeld Bedürftige wurde von ihrem Sachbearbeiter darüber informiert, dass es wichtig sei, die deutsche Sprache zu lernen. Daher sollte sie vom 22. August bis zum 4. September einen Sprachkurs belegen. Per E-Mail teilte die Frau mit, dass sie ab dem 12. August Urlaub in der Türkei machen wolle. Die vom Sachbearbeiter daraufhin am 19. Juli 2022 verschickte E-Mail sorgte schließlich für den Rechtsstreit.

Kein Anspruch auf Urlaub

Das Jobcenter teilt der Bürgergeldempfängerin darin mit, dass sie keinen Anspruch auf Urlaub habe und sie vor der Buchung mit dem Sachbearbeiter sprechen müsse. Ferner stand in der E-Mail, dass man eine Ortsabwesenheit nicht genehmigen könne und die 46-Jährige „bis Ende der Woche Bescheid“ geben solle, weil man ihr ansonsten „leider einen ablehnenden Bescheid zukommen lassen“ müsse. Dagegen legte die Frau mit Hilfe eines Anwalts Widerspruch ein. Ein paar Tage später beantragte sie dann die Ortsabwesenheit, die auch genehmigt wurde.

Welchen Status hatte die Jobcenter-Nachricht?

Damit wäre die Angelegenheit normalerweise geklärt gewesen. Auch die Tatsache, dass der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen wurde, spielte zu dem Zeitpunkt keine Rolle mehr. Trotzdem klagte die Bürgergeld Bedürftige, ohne dabei deutlich zu machen, was sie mit ihrer Klage überhaupt erreichen möchte. Im Kern waren sie und ihr Anwalt, anders als das Jobcenter, der festen Überzeugung, die E-Mail stelle einen ablehnenden Verwaltungsakt und die Genehmigung der Ortsabwesenheit einen Abhilfebescheid dar.

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Die Klage war unbegründet

Das Sozialgericht Darmstadt sah die Klage als unbegründet an und erteilte dann eine kleine Lehrstunde. Demnach habe ein Verwaltungsakt eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen. Dafür sei es nötig, dass eine rechtsverbindliche Anordnung getroffen werde. Dafür sei keine besondere Form nötig. Die Behörde könne die Form wählen. In diesem Fall gelte außerdem: Die Genehmigung der Ortsabwesenheit unterliegt keinem Formzwang.

Hinweis statt Verwaltungsakt

Hinsichtlich der E-Mail, über die gestritten wurde, erklärte das Gericht: „Die streitgegenständliche E-Mail entbehrt einer Regelung im Sinne der Norm und stellt ein schlicht-hoheitliches Handeln dar.“ Der Sachbearbeiter habe mit seiner Wortwahl deutlich gemacht, dass er noch keinen Bescheid erlassen wolle. Vielmehr habe er die Bürgergeld Bedürftige über die Möglichkeit informiert und ihr die Gelegenheit gegeben, die Sachlage zu klären. Daher sei mit der E-Mail, in der es weder einen Verfügungssatz noch eine Rechtshilfebelehrung gab, auch kein Sachverhalt für die Zukunft geregelt worden. Die Klägerin sei daher nicht in ihren Rechten beschwert worden.

Paradebeispiel für unsinnige Klagen

Ein solcher Rechtsstreit um eine simple E-Mail ist ein Paradebeispiel dafür, warum die Aktenberge in den Gerichten nicht kleiner, sondern immer größer werden. Wichtige Verfahren, in denen es um existenzielle Fragen geht, bleiben dadurch auf der Strecke oder verzögern sich so sehr, dass Betroffenen der Boden unter den Füßen weggerissen wird.

Titelbild: selinofoto / shutterstock