Sind Hartz IV Bedürftige zu reich? Diese Sorge treibt offenbar die Bundesagentur für Arbeit (BA) um. Laut Bild-Zeitung rief sie die Jobcenter vor einigen Wochen zur „Jagd auf Geheim-Vermögen von Hartz-IV-Empfängern“ auf. Der Grünen-Abgeordnete Sven Lehmann wollte es genauer wissen. Das Ergebnis: 2020 wurden gerade einmal 945 Fälle ermittelt.
Inhaltsverzeichnis
Keine Geheim-Vermögen
Dass es Hartz IV Missbrauch gibt, ist hinlänglich bekannt. Vermögen auf „geheimen“ Sparbüchern und Depots spielen dabei aber kaum eine Rolle. Im vergangenen Jahr hat der automatisierte Datenabgleich mit anderen Behörden lediglich 945-mal Alarm geschlagen, weil Kapitalerträge und Vermögen verschwiegen wurden.
Vermögensprüfung ausgesetzt
Dass die Zahl steigen könnte, liegt daran, dass die Vermögensprüfung aufgrund von Corona zeitweilig ausgesetzt wurde. Damit sollte schnelle Hilfe durch Hartz IV gewährleistet werden. Einen Vorsatz, den Staat und die Steuerzahler betrügen zu wollen, kann man daher nur schwerlich unterstellen.
1,6 Millionen Überschneidungsmitteilungen
Insgesamt wurden mithilfe des Datenaustauschs 1,6 Millionen Überschneidungsmitteilungen ausgewertet. Sie ergaben 84.280 Fälle, in denen die Hartz IV Zahlung zu hoch war. 78.382-mal, weil Einkommen aus geringfügigen oder versicherungspflichtigen Beschäftigungen nicht gemeldet wurden.
Überzahlung: 57,3 Millionen Euro
Um die Zahlen besser einordnen zu können: In Deutschland werden rund 3,9 Millionen Hartz IV Bedürftige als „erwerbsfähig“ geführt. Unter dem Strich wurden 2020 etwa 57,3 Millionen Euro zu viel gezahlt. Je Fall entspricht das rund 680 Euro. 2019 waren es 92.357 Fälle mit 61,5 Millionen Euro.
Kein flächendeckender Missbrauch
„Von großem und flächendeckendem Missbrauch durch Vermögen kann keine Rede sein“, lautet das Fazit von Jens Lehmann. Das wäre auch verwunderlich. Denn laut Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung sind bei leistungsberechtigen Personen oft keine oder nur sehr geringe Vermögen vorhanden.
Problem: Hinzuverdienstgrenze
Weitaus problematischer sieht der Grünen-Politiker, dass Hinzuverdienst bestraft wird. Denn in den meisten Fällen, bei denen von Missbrauch die Rede ist, gehe es um Menschen, „die arbeiten und selbst Einkommen erwirtschaften wollen“.
Neue Regeln nötig
Das Hartz IV System hat sehr rigide Vorgaben, was den Hinzuverdienst betrifft. Hier müsse dringend Abhilfe geschaffen werden. Dazu raten Experten schon seit Jahren. Dadurch würden deutlich bessere Anreize geschaffen, einen Teil- oder Vollzeitjob anzunehmen.
Hartz IV Reform: Bundesrat beschließt höhere Hinzuverdienstgrenzen
Jobcenter entlasten
Eine zweite Forderung von Jens Lehmann: Die Vermögensprüfung müsse auf den Prüfstand. Ziel: „Die Jobcenter von unsinniger Bürokratie entlasten.“ Ein Vorschlag, der bei der BA nicht gut ankommen dürfte, gerade aufgrund der „gesellschafts- und finanzpolitischen Bedeutung der Aufdeckung von Leistungsmissbrauch“.
Bildnachweis: Cookie Studio / shutterstock.com