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Studie: 30.000 Stellen nur wegen Bürgergeld nicht besetzt?

Fachkräfte gesucht/ Fachkräftemangel aufgrund Bürgergeld

Weg vom Bürgergeld, zurück zu Hartz IV. Diese Forderung, ausgesprochen unter anderem von Unions- und FDP-Politikern, steht seit Monaten im Raum. Ob ein solcher Schritt sich positiv auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt auswirken würde, ist laut einer Studie von Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) – Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit – jedoch fraglich. Die Arbeitsaufnahme von Leistungsempfängern falle mit Bürgergeld zwar geringer aus. Dieses Problem ließe sich aber nicht mit einer simplen Rückabwicklung der Bürgergeld-Reform lösen.

Auswirkungen auf die Arbeitsaufnahme

Die Studie, die unter anderem auf den Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) beruht, verfolgt nur ein Ziel: „Wir analysieren die kurzfristigen Auswirkungen auf die Beschäftigungsaufnahmen.“ Dazu wirft Enzo Weber einen Blick zurück. Auf die Zeiten von Hartz IV, das Sanktionsmoratorium und letztlich den Schritt hin zum Bürgergeld mit neuen Regeln zum Vermögen, zur Berechnung der Regelsätze mit Fokus auf einen zeitnahen Inflationsausgleich und zu Leistungsminderungen.

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30.000 Stellen werden nicht besetzt

Das Ergebnis der Studie bestärkt einerseits Bürgergeld Kritiker, rechnet andererseits aber auch mit dem Vorgänger ab. Das wichtigste Ergebnis: Das Bürgergeld liefert offenbar zu wenige Anreize für Betroffene, sich eine Arbeit zu suchen. Der Ökonom kommt bei seinen Berechnungen auf 30.000 Stellen, die aufgrund der Bürgergeld-Reform nicht angetreten werden. Konkret: Es handelt sich um 30.000 Stellen, die unter den Bedingungen von Hartz IV besetzt worden wären.

Drehtüreffekt bleibt unberücksichtigt

Hinter dieser Zahl steht jedoch ein großes „aber“. Denn die Studie beschränkt sich, betonte Enzo Weber gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“, auf die Frage, „wie sich die Arbeitsaufnahme aus der Grundsicherung verändert hat“. Ob die Stellen dauerhaft besetzt geblieben oder schon kurz darauf wieder frei geworden wären, weil Bürgergeld Bedürftige kündigen oder gekündigt werden, bleibt völlig unberücksichtigt.

Die Hartz-IV-Nebenwirkungen

Genau da liegt eines der Probleme. Denn eine frühere Studie des gleichen Autos spricht von starken „Nebenwirkungen“ bei Hartz IV. Aufgrund des hohen Drucks durch Sanktionen, die beim Bürgergeld etwas moderater ausfallen, hätten sich Bedürftige auch Jobs gesucht, die nicht passen – und sie kurz darauf wieder verloren. Das ist der berühmt-berüchtigte Drehtüreffekt, dem man mit dem Verzicht auf den Vermittlungsvorrang beim Bürgergeld einen Riegel vorschieben wollte. Und: Hartz IV habe sich, so Weber, auch nachteilig auf Geringverdiener ausgewirkt.

Ein Minus von sechs Prozent

Unter dem Strich bleibt die Erkenntnis: Das Bürgergeld mit höheren Regelsätzen hat die Arbeitsaufnahme von Bedürftigen um sechs Prozent gesenkt. Im Vergleich dazu lag die Quote zu Zeiten des Sanktionsmoratoriums nur bei vier Prozent. Gleichzeitig macht die IAB-Studie deutlich, dass Menschen im Niedriglohnsektor nicht massenhaft kündigen, weil das Bürgergeld attraktiver wäre.

Höhere Sanktion bei besserer Betreuung

Um das Beste aus zwei Welten zu kombinieren, schlägt Enzo Weber vor, die Sanktionen nicht schrittweise von zehn auf 30 Prozent zu gestalten, sondern direkt 30 Prozent einzubehalten. Das allein würde jedoch nicht reichen. Viel wichtiger wäre es, die Zuverdienstregeln zu verbessern, damit von jedem verdienten Euro mehr im Portemonnaie bleibt. Überdies bedarf es einer besseren Betreuung durch die Jobcenter – von der man sich dank Sparkurs nur leider immer weiter entfernt.

Die Studie: https://doku.iab.de/discussionpapers/2024/dp0724.pdf

Bild: FrankHH/ shutterstock