Mehr Druck, mehr Fordern beim Fördern und am besten noch ein Stachelhalsband, damit auch alle spuren. Sanktionen beim Bürgergeld, die heute etwas netter Leistungsminderungen heißen, waren einer der großen Streitpunkte der Hartz-IV-Reform. Der Union missfiel der Gedanke, während einer Vertrauenszeit ganz auf Strafmaßnahmen zu verzichten. Daraufhin wurde die Idee fallen gelassen. Dabei bringen Sanktionen außer Negativ-Effekten gar nichts – wie jetzt zum wiederholten Male nachgewiesen wurde.
Sanktionen schaden
Die britische Regierung dürfte „not amused“ gewesen sein, als die Studie zu den Auswirkungen von Sanktionen aufgrund einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz publik wurde. Denn das Papier vom Arbeitsministerium war ganz bewusst unter Verschluss und damit geheim gehalten worden. Warum? Weil man trotz klarer Aussagen, dass Sanktionen mehr schaden, als nützen, mit immer strengerer Hand an Kürzungen und Strafen beim Bürgergeld festhält.
Arbeitsaufnahme wird gehemmt
Die Essenz der Studie spiegelt sich im Titel des Guardian-Beitrags wider:
„Leistungssanktionen verzögern den Weg der Menschen in die Arbeit“.
Diese Ergebnisse sind nicht etwa neu oder erst ein paar Wochen alt. Nein, sie liegen seit 2020 in den Schubladen der Behörde. Gleichzeitig wurden die Sanktionen eifrig vorangetrieben. Dass die Papiere nicht vorher öffentlich gemacht wurden, ist der damaligen Rentenministerin Thérèse Coffey zu verdanken. Das sei nicht im öffentlichen Interesse.
Geringerer Verdienst bei Betroffenen
Mithilfe des Gesetzes zur Informationsfreiheit hat David Webster von der Universität Glasgow jetzt die Veröffentlichung erzwungen. Ein wichtiger Schritt. Denn: Leistungsminderungen beim Bürgergeld beeinträchtigen laut der Studie sowohl die Arbeitsaussichten als auch das Einkommen, erklärt der Wissenschaftler. Deshalb habe man den Bericht geheim gehalten.
Strafen bringen Menschen nicht in Arbeit
Konkret umfasst der Bericht eine Reihe unabhängiger Studien. Sie alle haben gezeigt: Sanktionen sind kein wirksames Mittel, Menschen in Arbeit zu bringen oder dafür zu sorgen, dass mehr Stunden gearbeitet wird. Stattdessen sorge die Leistungskürzung um Hunderte Britische Pfund dafür, dass Bürgergeld-Betroffene deutlich länger bräuchten, um überhaupt einen Job zu finden. Überdies verdienten Menschen, die sanktioniert wurden, deutlich weniger.
Kürzung um bis zu 660 Britische Pfund
Auch die Arbeitsmarktquoten würden durch Sanktionen nicht verschoben. Stattdessen werde die Art der Arbeit beeinflusst, die Menschen aus finanzieller Not heraus aufnehmen (müssen), wenn sie vom Amt mit einer Leistungsminderung konfrontiert werden. In Großbritannien kann man dabei zurecht von Not sprechen. Denn die durchschnittliche Sanktion betrug dort 660 Britische Pfund (in 2020 etwa 740 €).
Sanktionen machen krank
Die Studien haben ferner unterstrichen, dass Betroffene krank werden und die Wahrscheinlichkeit, eine Arbeit aufnehmen zu können, dadurch noch weiter sinke. Vor allem aber: Durch die Jobs, die zur Verfügung stünden, läge das Haushaltseinkommen im Monat sogar um 38 Pfund niedriger.
Rigorose Anwendung gefordert
Trotz alledem will die Regierung weiter an Sanktionen festhalten. Sie sollen rigoroser angewendet werden, zumal die Abgeordneten mit der Funktionsweise insgesamt zufrieden seien und man von einer „abschreckenden Wirkung“ ausgehen könne. Das DWP selbst bezeichnet die Kürzungen als „angemessen und verhältnismäßig“. Sie sorgten für ein faires System und ermutigten Menschen, ihre Verpflichtungen einzuhalten.
Knallhart: die Bürgergeld-Sanktionen ab 2023
Leistungsminderungen in Deutschland
Ähnlich wurde und wird beim Bürgergeld in Deutschland argumentiert. Hier werden die Leistungen bei einem Meldeversäumnis für einen Monat um zehn Prozent gemindert. Bei Pflichtverletzungen wird gestaffelt. Der erste Verstoß wird mit zehn Prozent für einen Monat geahndet, der zweite mit 20 Prozent für zwei Monate und der dritte mit 30 Prozent für drei Monate.
Taube Ohren
Dass Sanktionen ihr Ziel verfehlen, ist auch hierzulande schon nachgewiesen worden. Etwa durch eine vom Verein Sanktionsfrei in Auftrag gegebene Studie, die im September 2022 veröffentlicht wurde. Helena Steinhaus, Gründerin des Vereins, spricht daher von „tauben Ohren“ aufseiten der Regierung. Denn die hält ebenfalls an ihren Leistungsminderungen fest.
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