Umstritten und in jüngster Zeit ein echtes Reizthema: die Hartz IV Sanktionen. Während Bayerns Ministerpräsident Markus Söder darin einen Anreiz zur Arbeitsaufnahme sieht, bestätigt eine Studie, dass Kürzungen der Gesundheit der Betroffenen schaden, nicht aber dazu beitragen, dass Leistungsempfänger schneller einen Job finden. Insofern verfehlen Sanktionen ihre Wirkung. Trotzdem bleiben sie fester Bestandteil des Bürgergelds.
Hartz IV Nachfolge: Bürgergeld soll 502 Euro betragen
Studie zu den Auswirkungen von Sanktionen
Der Verein Sanktionsfrei hat sich den Verzicht von Leistungskürzungen im Hartz IV System auf die Fahnen geschrieben und unterstützt inzwischen viele, die unter die Räder der Behörden gekommen sind. Die Macher haben zudem eine Studie beim Institut für Sozial- und Wirtschaftsforschung, INES Berlin, in Auftrag gegeben. Titel: „Hartz plus: Die Auswirkungen von Hartz-IV-Sanktionen“. Hier kann die Studie heruntergeladen werden:
Keine Aktivierung durch Leistungskürzungen
112 Seiten umfasst der Abschlussbericht der Studie, für die über einen Zeitraum von drei Jahren 585 zufällig ausgewählte Personen mehrfach befragt wurden. Die Teilnehmer waren durchgängig oder zumindest zeitweise auf Hartz IV angewiesen. Das zentrale Ergebnis:
„Die mit dem Instrumentarium der Sanktionierung generell intendierten Wirkungen auf das Verhalten und die Verhaltensdisposition, mit dem Ziel, erwerbsfähige Empfänger:innen von Hartz IV zur Arbeitsaufnahme zu aktivieren, lässt sich in dem hier vorliegenden Datenmaterial nicht aufzeigen.“
Kultur des Misstrauens
Oder einfacher ausgedrückt: Hartz IV Sanktionen wirken sich in keiner Weise positiv auf die Motivation Betroffener aus. Im Gegenteil. Helena Steinhaus vom Verein Sanktionsfrei erklärte im Rahmen einer Pressekonferenz zur Vorstellung der Studie:
„Sanktionen verfehlen ihre behauptete Wirkung. Sie verursachen fast immer eine Kultur des Misstrauens.“
Erhebliche soziale Auswirkungen
Dass Hartz IV Sanktionen nicht folgenlos bleiben, ist hinlänglich bekannt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Leistungskürzungen „schwerwiegend“ sind. Konkret heißt es:
„Sie haben nicht nur erhebliche finanzielle – existentielle – Auswirkungen, sondern können auch erhebliche soziale und gesundheitliche Auswirkungen zur Folge haben.“
Kontraproduktiv und demotivierend
Auf die gravierenden Auswirkungen von Sanktionen machte auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, aufmerksam. Sie verschlechterten die Situation und die Gesundheit Betroffener. Zudem wirkten Hartz IV Sanktionen kontraproduktiv und demotivierend.
Tiefschwarze Rohrstockpädagogik
Das bestätigt die Aussagen, die der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Dr. Ulrich Schneider, beinahe gebetsmühlenartig wiederholt: „Sanktionen haben nachweislich keinen erzieherischen Effekt.“ Daher müsse die „tiefschwarze Rohrstockpädagogik“ endlich abgeschafft werden.
Weiterhin Kürzungen um bis zu 30 Prozent
Davon ist man allerdings weit entfernt. Auch im Rahmen des Bürgergelds, das zum 1. Januar 2023 Hartz IV ablösen soll, werden Jobcenters die Möglichkeit haben, die Regelsätze aufgrund wiederholter Pflichtverletzungen und Meldeversäumnisse zu kürzen. Der Referentenentwurf zum Bürgergeld sieht dafür Leistungsminderungen von bis zu 30 Prozent vor. Ausnahme: die Vertrauenszeit.
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