Der Verzicht auf Sanktionen beim Verstoß gegen die Regeln für Hartz IV Empfänger hat im zweiten Halbjahr 2022 dazu geführt, dass deutlich weniger Arbeitslose in den Arbeitsmarkt vermittelt wurden. Das macht die Studie des Arbeitsmarktforschers Enzo Weber deutlich. Allerdings zeigt die Studie auch: Nicht allein das Sanktionsmoratorium führte zu einer höheren Arbeitslosigkeit.
Sanktionsmoratorium: Nicht förderlich für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen
Das Sanktionsmoratorium wurde vor dem Übergang von Hartz IV zum Bürgergeld verhängt, da viele der Kürzungen aus dem Hartz IV-Sanktionskatalog in ihrer Härte als verfassungswidrig eingestuft wurden. Eine auf LinkedIn veröffentlichte Studie von Enzo Weber zeigt nun, dass dies zu einem Rückgang der Vermittlungen von Leistungsempfängern in den Arbeitsmarkt um 6,9% geführt hat. „Der gemessene Moratoriumseffekt bedeutet, dass sieben von 100 Jobaufnahmen, die zuvor in einem Monat stattgefunden hätten, danach nicht mehr zustande kamen. Das liegt in einer spürbaren und kritischen Größenordnung“, so Weber.
Zu wenig neue Stellen
Insgesamt sanken die Jobaufnahmen aus der Grundsicherung seit Juni 2022 aber sogar um 20%, was nicht allein auf den Moratoriumseffekt zurückzuführen ist. Auch die Meldungen neuer, offener Stellen fielen seitdem deutlich niedriger aus. Deswegen stagniert der Abbau von Langzeitarbeitslosen bis jetzt auf einem relativ niedrigen Niveau von etwa 220.000 Menschen. Das sind mehr als vor der Corona-Pandemie – und das obwohl Verstöße gegen die Bürgergeld-Regeln inzwischen wieder sanktioniert werden.
Wann und wie wird sanktioniert?
Kommen Bürgergeld-Empfänger ihren Melde- und Mitwirkungspflichten nicht nach, so können Sanktionen bzw. Leistungsminderungen über sie verhängt werden. Versäumen sie beispielsweise Termine oder bewerben sich nicht auf vorgeschlagene Stellen, so drohen ihnen Kürzungen der Leistungen um 10% des Regelsatzes. Dabei wird ein abgestuftes Sanktionssystem angewandt, das je nach Häufigkeit der Regelverstöße unterschiedlich hohe Kürzungen der Leistungen vorsieht. Damit die Sanktionen den gewünschten Effekt erzielen und tatsächlich zu einem langfristigen Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen, muss laut Enzo Weber das richtige Maß im Mittelpunkt stehen. Zu scharfe Sanktionen beispielsweise können dafür sorgen, dass „Personen häufiger Jobs mit wenig Perspektive und geringer Bezahlung annehmen oder sich bei starken Eingriffen in die Lebensverhältnisse ganz von der Jobvermittlung abwenden“, so Weber. Zu milde oder gar keine Sanktionen seien aber auch nicht zielführend.
Bürgergeld so attraktiv, dass Arbeiten sich nicht mehr lohnt?
Der befürchtete Effekt, dass Menschen das Bürgergeld als die attraktivere Alternative im Vergleich zum Beschäftigungsverhältnis sehen würden, ist ausgeblieben. Ein Anstieg von Jobabgängern war mit Einführung des Bürgergeldes nicht zu verzeichnen. Dennoch gibt es noch Anpassungsbedarf beim zu Beginn des Jahres eingeführten Bürgergeldes, wie die geringe Vermittlungsrate von Arbeitslosen in Beschäftigungsverhältnisse deutlich macht. Abhilfe könnten hier zum Beispiel eine aktuellere, an die Inflation angepasste Steigung der Regelsätze, eine Investition in individuelle Betreuung und weitere Maßnahmen verschaffen.
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