Unterhaltspflichtige Eltern können ihre Unterhaltspflichten gegenüber Kindern nicht mit dem Argument verweigern, im Hartz IV Leistungsbezug zu stehen. Einen solchen Fall erlebte nun ein Vater aus Marl, dem vom Gericht ein fiktives Einkommen zur Bemessung des Kindesunterhalts hinnehmen musste.Im vorliegenden Streitfall handelt es sich um einen 1985 geborenen Mann aus Marl, der im Jahr 2013 Vater einer Tochter wurde. Er lebte mit der gleichaltrigen Mutter und zusammen mit dem Kind in einem Haushalt. Nach seinem Hauptschulabschluss in der 10. Klasse brach er eine Berufsausbildung im gärtnerischen Bereich ab. Danach folgten verschiedene Stationen in Zeitarbeitsfirmen und zuletzt eine mehrmonatige Beschäftigung bei einer Autowaschanlage, mit einem monatlichen Nettoeinkommen von über 1.300 Euro. Im Herbst 2014 verlor der junge Vater die Arbeitsstelle, nach eigenen Angaben ohne eigenes Verschulden und ist seitdem arbeitslos und steht im Hartz IV Bezug beim Jobcenter.
236 Euro Unterhalt trotz Hartz IV
Im Jahr 2015 trennten sich die Eltern, da war die Tochter gerade zwei Jahre alt. Fortan musste der Vater nun für den Kindesunterhalt aufkommen, den das Familiengericht Marl unter Zugrundelegung eines fiktiven Einkommens von 1.300 Euro in einem Beschluss auf 236 Euro monatlich bezifferte. Da dies für den Vater aus dem monatlichen Hartz IV Regelsatz nicht zu bestreiten war, legte er Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Hamm ein.
Ohne Erfolg, denn das OLG wies die Beschwerde des Vaters ab und bestätigte den Beschluss des Familiengerichts. Nach Ansicht des Gerichts sei die Annahme eines fiktiven Einkommen zur Bemessung des Unterhalts zu rechtfertigen. Der Hartz IV Bezug habe darauf keine Auswirkungen.
Gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber Minderjährigen
Gegenüber minderjährigen Kindern haben Eltern eine gesteigerte Unterhaltspflicht und müssen alles in ihrer Macht stehende tun, um den Mindestunterhalt für das Kind zu gewährleisten. Dazu zähle der Einsatz aller verfügbaren Mittel und auch der eigenen Arbeitsleistung. Unterlässt der Vater Bemühungen, die eigene Arbeitskraft einzusetzen, um den Kindesunterhalt zahlen zu können, dürfe das Gericht auch fiktiv erzielbare Einkünfte als Berechnungsgrundlage heranziehen.
Das Gericht lässt nicht gelten, dass der Vater im Hartz IV Bezug steht. Es reiche nicht aus, sich bei der Agentur für Arbeit zu melden oder nur auf die Stellen zu bewerben, die vom Jobcenter vorgeschlagen werden. Vielmehr müsse der Mann, der gesund ist und sich im mittleren Erwerbsalter steht, sich nachhaltig um eine angemessene Vollzeitbeschäftigung bemühen.
Daher steht der Vater in der Pflicht, einzelne und nachprüfbare Be- und Nachweise vorzulegen, aus denen hervorgeht, wie und in welcher Intensität er sich um eine Erwerbstätigkeit kümmert. Da dies nicht geschehen ist, geht das Gericht zurecht von einem monatlichen, fiktiven Einkommen von 1.300 Euro aus, welches der Kindsvater erzielen könnte.
Im vorliegenden Fall hat der Vater keine Bemühungen gezeigt, eine Vollzeitbeschäftigung aufzunehmen, so dass für das Gericht auch nicht nachprüfbar sei, ob der Vater das fiktiv herangezogene Einkommen von 1.300 Euro nicht erzielen könne. Schließlich konnte er dieses, so das Gericht, auch über mehrere Monate bei der Beschäftigung in der Autowäsche erwirtschaften. Zudem habe das Familiengericht den Vater auch darauf hingewiesen, dass eine Nebentätigkeit in Betracht komme, wenn er nicht das nötige Einkommen zum Bedienen des Unterhalts aus einer Hauptbeschäftigung in Vollzeit erzielen könne.
Unterhaltsvorschuss durch Jugendamt
Die mit rechtskräftigem Beschluss festgelegte Unterhaltshöhe von 236 Euro monatlich kann der Vater aufgrund des Hartz 4 Bezuges naturgemäß nicht aufbringen. In diesem Fall wird höchstwahrscheinlich das zuständige Jugendamt mit dem Unterhaltsvorschuss einspringen müssen. Seit dem 01.01.2016 beträgt der Unterhaltsvorschuss für Kinder bis zum 6. Geburtstag monatlich 145 Euro. Hier könnte das Jugendamt gegebenenfalls Regressansprüche gegen den Vater geltend machen.
Der vom Gericht festgelegte Unterhaltsanspruch häuft sich nun beim Vater an und verjährt erst nach 30 Jahren.
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Beschluss des OLG Hamm vom 23.12.2015 – 2 UF 213/15