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Urteil: Bürgergeld Mehrbedarf für Schuhe

Füße mit verschlissenen Schuhen

Das Sozialgericht Hamburg hat einer Frau, die aufgrund einer neurologischen Erkrankung einen erhöhten Verschleiß ihrer Schuhe hat, einen monatlichen Mehrbedarf im Rahmen ihrer damaligen Hartz-IV-Leistungen (heute Bürgergeld) zugesprochen. Das Jobcenter hatte den Antrag der Frau zunächst abgelehnt und sie an ihre Krankenkasse verwiesen.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine 56-jährige Frau, beantragte am 07.11.2019 beim Jobcenter einen monatlichen Mehrbedarf von 70 Euro für den Bewilligungszeitraum vom 01.11.2019 bis zum 30.04.2020. Grund hierfür war der außergewöhnlich hohe Verschleiß ihrer Schuhe, verursacht durch eine neurologische Erkrankung, die zu einer Fehlstellung ihrer Beine, Sprunggelenke und Füße führt. Diese Fehlstellung verursacht ein abnormes Gangbild, das die Schuhe der Frau nach ein bis zwei Monaten unbrauchbar macht.

Ein ärztliches Attest vom 28.10.2019 bestätigte, dass die Klägerin aufgrund ihres ataktischen Gangs regelmäßig neue Schuhe benötigt. Allein in der Zeit vom 23.10.2019 bis zum 11.03.2020 musste die Frau 256,84 Euro für vier Paar Schuhe aufwenden.

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Jobcenter lehnt ab

Das Jobcenter lehnte den Antrag der Frau am 06.10.2020 ab und verwies sie an ihre Krankenkasse. Diese übernahm jedoch lediglich die Kosten für Einlagen und orthopädische Schuhe als Hilfsmittel, nicht aber für normale Straßenschuhe. Der Widerspruch der Klägerin gegen diese Entscheidung wurde am 14.12.2020 ebenfalls abgelehnt. Daraufhin reichte die Frau am 11.01.2021 Klage beim Sozialgericht Hamburg ein.

Sozialgericht Hamburg entscheidet

Das Sozialgericht Hamburg entschied am 23.08.2022 zugunsten der Klägerin. Das Jobcenter wurde verurteilt, der Leistungsempfängerin für den Zeitraum vom 01.11.2019 bis zum 30.04.2020 einen monatlichen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II in Höhe von 19,46 Euro zu gewähren, in der Summe 116,76 Euro für den gesamten Bewilligungszeitraum.

Begründung des Gerichts

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin aufgrund ihres krankheitsbedingten Gangbildes einen laufenden und nicht nur einmaligen besonderen Bedarf an handelsüblichen Schuhen hat.

Laufender und nicht nur einmaliger Bedarf

Das Sozialgericht Hamburg betonte, dass es sich bei dem Bedarf der Klägerin um einen laufenden und nicht bloß einmalig anfallenden Bedarf handelt. Die Klägerin musste regelmäßig neue Schuhe kaufen, da ihre alten Schuhe aufgrund des starken Verschleißes an der Innenseite nach ein bis zwei Monaten unbrauchbar wurden. Dies wurde durch mehrere ärztliche Atteste und ein amtsärztliches Gutachten bestätigt.

Besondere Bedarfslage

Das Gericht stellte fest, dass die Bedarfslage der Klägerin eine andere ist als bei typischen Empfängern von Jobcenter-Leistungen. Die neurologische Erkrankung der Klägerin führt zu einem abnormen Gangbild, das einen übermäßigen Verschleiß der Schuhe verursacht. Dieser Bedarf ist somit speziell und nicht durch den regulären Regelsatz abgedeckt.

Unabweisbarer Bedarf

Das Gericht erkannte den Bedarf der Klägerin als unabweisbar an, da er weder durch Zuwendungen Dritter noch durch Einsparmöglichkeiten gedeckt werden konnte. Die Klägerin konnte nachweisen, dass handelsübliche Schuhe, die auch von Gesunden genutzt werden, unter Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens fallen und somit nicht von der Krankenkasse übernommen werden.

Erheblicher Mehrbedarf

Die Klägerin konnte nachweisen, dass ihr Bedarf an Schuhen deutlich über dem Durchschnitt liegt. Während der durchschnittliche monatliche Bedarf für Damenschuhe bei 5,30 Euro liegt, benötigte sie monatlich 24,76 Euro, was eine Differenz von 19,46 Euro ausmacht. Dieser erhebliche Mehrbedarf wurde durch die regelmäßigen und höheren Ausgaben für Schuhe deutlich.

Fehlen von Einsparmöglichkeiten

Das Gericht stellte fest, dass aufgrund der geringen finanziellen Spielräume der Klägerin keine Einsparmöglichkeiten bestehen, die den speziellen Bedarf an Schuhen abdecken könnten. Die Klägerin erklärte, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung häufiger stürzt und daher auch häufiger neue Kleidung benötigt, was ebenfalls aus dem Regelsatz finanziert werden muss. Zudem entstehen ihr höhere Kosten für Arztbesuche, die ebenfalls aus dem Regelsatz gedeckt werden müssen.

Abschließend

Das Urteil des Sozialgerichts Hamburg verdeutlicht, dass in speziellen Fällen, wie dem der Klägerin, ein erhöhter Bedarf durch das Jobcenter zusätzlich gezahlt werden muss, wenn dieser krankheitsbedingt und nicht durch andere Leistungsträger gedeckt ist. Das Jobcenter wurde auch dazu verurteilt, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu übernehmen.

Zu erwähnen bleibt, dass es sich nur um eine Entscheidung eines Sozialgerichts in der untersten Instanz handelt, die einen Einzelfall abgehandelt hat. Diese Entscheidung ist nicht bundesweit gültig, kann aber in der Argumentation genutzt werden, wenn selbst ein solcher Mehrbedarf angestrebt wird.

Sozialgericht Hamburg, Az. S 39 AS 100/21 vom 23.08.2022

Titelbild: Ralf Geithe / shutterstock

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