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Urteil: Bürgergeld Obergrenzen wichtiger als gesundheitliche Probleme

Mutter und Tochter in Decken eingehüllt vor Heizung

Das Bundessozialgericht (BSG) hat ein klares Zeichen gesetzt: Bürgergeld-Bedürftige müssen ihre Heizkosten selbst im Griff behalten – auch wenn gesundheitliche Probleme vorliegen. In einem Urteil vom 28. Februar 2024 entschied das Gericht, dass eine Berliner Mutter und ihre Tochter keinen Anspruch auf die vollständige Übernahme ihrer tatsächlichen Heizkosten haben. Diese lagen deutlich über den vom Jobcenter anerkannten Grenzwerten.

Heizkosten deutlich über Angemessenheitsgrenze

Mutter und Tochter wohnten in einer 64,10 qm großen Wohnung in Berlin. Ihre monatlichen Wohnkosten summierten sich auf 687,35 Euro – davon 349,35 Euro Nettokaltmiete, 124 Euro kalte Betriebskosten und satte 214 Euro für Heizung und Warmwasser. Während das Jobcenter die Bruttokaltmiete von 473,35 Euro als angemessen durchgehen ließ, schlugen die Heizkosten hohe Wellen.

So hoch darf die Miete mit Bürgergeld sein

Heizkosten unter der Lupe: Die tatsächlichen Heizkosten in Höhe von 214 Euro monatlich wollte das Jobcenter Berlin nicht in voller Höhe übernehmen. Stattdessen wurden nur 108,65 Euro als angemessen anerkannt. Grundlage dafür war der bundesweite Heizspiegel 2012, der für eine 60 qm große Wohnung eine Obergrenze von 80 Euro für Raumwärme festlegt. Für Warmwasser kamen maximal 28,65 Euro dazu – mehr nicht!

Kostensenkungsverfahren – Jobcenter zieht Daumenschrauben an

Schon 2009 hatte das Jobcenter den Klägerinnen klar gemacht: Die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) sind zu hoch. Im sogenannten Kostensenkungsverfahren wurden sie aufgefordert, die Kosten zu senken. Die Möglichkeiten? Ein Umzug in eine günstigere Wohnung oder die Reduzierung der Heizkosten. Das Jobcenter stellte unmissverständlich klar, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch die als angemessen festgelegten Kosten übernommen würden.

Heizkosten & Bürgergeld – was ist angemessen?

Doch die Klägerinnen blieben stur – trotz Aufforderung blieben sie in ihrer Wohnung und verlangten weiter die Erstattung ihrer tatsächlichen Heizkosten. Ihre Begründung: Ein Umzug sei wegen gesundheitlicher und psychologischer Belastungen unzumutbar. Sie warfen dem Jobcenter vor, ihre schwierige Lage nicht ausreichend berücksichtigt zu haben.

Argumente der Klägerinnen

Die Mutter litt an gesundheitlichen Problemen, die Tochter war psychologisch angeschlagen. Beide argumentierten, dass ein Umzug in eine günstigere Wohnung für sie schlichtweg unmöglich sei. Ihre besonderen Umstände müssten berücksichtigt werden, forderten sie, und die tatsächlichen Heizkosten vollständig übernommen werden. Zudem kritisierten sie, dass das Jobcenter sie nicht klar genug auf die Unangemessenheit ihrer Heizkosten hingewiesen habe.

Jahrelanger Rechtsstreit

Der Fall beschäftigte nicht nur das Bundessozialgericht – zuvor hatten bereits das Sozialgericht Berlin und das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg über die Sache entschieden. Was als einfache Auseinandersetzung mit dem Jobcenter begann, entwickelte sich zu einem mehrjährigen Rechtsstreit, der sich über mehrere Instanzen hinzog. Erst nach Jahren der Unklarheit und zahllosen Gerichtsterminen fiel nun das endgültige Urteil des BSG.

Das Bundessozialgericht machte kurzen Prozess: Die Klage wurde abgewiesen. Die Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, den Klägerinnen lediglich eine Nachzahlung von 61,70 Euro pro Monat für den Streitzeitraum von Februar bis Juli 2013 zuzusprechen, wurde bestätigt. Zwar bekamen die Klägerinnen eine kleine zusätzliche Leistung, doch auf den meisten Kosten blieben sie sitzen: Über 100 Euro pro Monat mussten sie aus eigener Tasche zahlen.

Bürgergeld & Miete – Jobcenter zahlt 20 Prozent zu wenig

Das Gericht stellte klar, dass die gesetzlichen Angemessenheitsgrenzen für Heizkosten auch bei gesundheitlichen und psychologischen Problemen bindend sind. Die vorgebrachten Gründe reichten nicht aus, um diese Grenzen zu überschreiten. Das Jobcenter habe seine Pflicht zur Kostensenkungsaufforderung ordnungsgemäß erfüllt, und die Klägerinnen hätten keinen ausreichenden Nachweis erbracht, dass ein Umzug oder andere Maßnahmen zur Senkung der Heizkosten unzumutbar gewesen wären.

Verfahrensgang:
BSG, Az. B 4 AS 18/22 R, 28.02.2024
LSG Berlin-Brandenburg, Az. L 32 AS 2845/16, 31.05.2022
SG Berlin, Az. S 107 AS 6489/13, 27.10.2016

Titelbild: Andrew Angelov / shutterstock