3.657,32 Euro forderte das Jobcenter von einer Hilfebedürftigen zurück, der fristlos gekündigt wurde. Sie erschien trotz Abmahnung mehrere Wochen unentschuldigt nicht zur Arbeit, was das Jobcenter als auch später die Sozialgericht als sozialwidriges Verhalten und damit die Rückforderung der erbrachten Leistungen für zu Recht werteten. LSG Niedersachsen-Bremen vom 12.03.2024 (Az.: L 7 AS 458/22).
Im vorliegenden Streitfall war die Hilfebedürftige in einem zum 19.04.2017 geschlossenen, unbefristeten Arbeitsverhältnis als „Helferin Kunststoff und Kautschuk“ mit 35 Wochenstunden in einem kunststoffverarbeitendem Unternehmen beschäftigt. Nachdem sie ab dem 27. Juni unentschuldigt nicht zur Arbeit erschien und auch für den Arbeitgeber nicht erreichbar war, kündigte dieser das Arbeitsverhältnis zum 13. Juli 2017 außerordentlich. Da sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hatte, musste sie Bürgergeld beantragen (damals noch Hartz IV), welches auch zunächst auch zur Sicherung des Existenzminimums bewilligt wurden.
Nach einem späteren Zusammenzug lebte sie ab August 2017 mit einem Partner in Bedarfsgemeinschaft, beide bezogen Grundsicherung. Ein paar Monate später machte das Jobcenter einen Ersatzanspruch gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 SGB II wegen sozialwidrigen Verhaltens der Frau gegen die Bedarfsgemeinschaft geltend und forderte die Leistungen von August 2017 bis Mai 2018 in einer Gesamthöhe von zunächst 5.599,12 Euro zurück. Hätte sie die Arbeitsstelle nicht wegen vertragswidrigen Verhaltens verloren, hätten für den Zeitraum August 2017 bis Mai 2018 Leistungen in Höhe von 3.972,52 Euro nicht an sie ausgezahlt werden müssen, so das Amt. Gegen die Forderung erhob die Bedarfsgemeinschaft Widerspruch.
Sozialwidriges Verhalten
Das Jobcenter argumentierte, dass die Klägerin durch ihr Verhalten ihre Hilfebedürftigkeit selbst verschuldet habe. Die fristlose Kündigung wurde als sozialwidriges Verhalten gemäß § 34 SGB II bewertet, da sie durch grob fahrlässiges Verhalten ihre Erwerbstätigkeit und somit ihre Existenzgrundlage verlor. Sie sei für den Arbeitgeber nicht mehr erreichbar gewesen und ihr hätte bewusst sein müssen, welche Konsequenzen dieses Verhalten nach sich ziehen kann, zumal der Arbeitgeber bereit eine Abmahnung wegen Fehlens bei der Arbeit ausgesprochen hatte. Im Gesetz heißt es hierzu:
Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet.
§ 34 Abs. 1 S. 1 SGB II – Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten
Gerichtliche Entscheidung
Nachdem sich das Widerspruchsverfahren außergerichtlich lange hingezogen hatte, landete der Fall schließlich vor Gericht. Das Sozialgericht Braunschweig wies die Klage gegen das Jobcenter der Klägerin gegen die Rückforderung erstinstanzlich ab (Az.: S 28 AS 745/19 vom 11.08.2022). Es bestätigte, dass die Kündigung und das damit verbundene Verhalten sozialwidrig waren und die Rückforderung des Jobcenters gerechtfertigt sei. Die Klägerin konnte keinen wichtigen Grund für ihr unentschuldigtes Fehlen nachweisen. Ihr Argument der Obdachlosigkeit nach einem Konflikt mit ihrem Vater wurde als nicht ausreichend erachtet, da sie den Arbeitgeber hätte informieren müssen.
Berufung hatte keinen Erfolg
Auch die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen und führte zu keinem anderen Ergebnis. Das Landessozialgericht bestätigte die Entscheidung des Sozialgerichts Braunschweig und betonte, dass der Klägerin nach einer bereits erfolgten Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens die Konsequenzen ihres Handelns bewusst sein müssten. Nach erfolgten Teilabhilfen durch das Jobcenter wurde ein Ersatzanspruch in Höhe von 3.657,32 Euro für rechtmäßig erkannt, den die Bürgergeld Bedürftige zurückzahlen muss. Da ihr eine sofortige Rückzahlung nicht möglich ist, wurde ihr mit Bescheid vom 25.01.2019 eine Aufrechnungserklärung zugestellt, aus der hervorgeht, dass die Schulden beim Jobcenter künftig durch Einbehalt von 30% des monatlichen Regelsatzes beglichen werden. Ebenso diese Aufrechnungserklärung erkannte das Gericht als rechtmäßig an.
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Revision zugelassen
Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtmäßigkeit eines einheitlichen Ertstattungs- und Aufrechnungsbescheides hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen die Revision vor dem Bundessozialgericht zugelassen.
Quelle: Urteil im Volltext auf sozialgerichtsbarkeit.de
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