Das Jobcenter darf keine sogenannte „Bettlägerigkeitsbescheinigung“ (Wegeunfähigkeitsbescheinigung) fordern, wenn Leistungsempfänger aufgrund einer Krankheit einen Meldetermin nicht wahrnehmen können. Dies hat ein niedersächsisches Sozialgericht entschieden.
Urteil zur Wegeunfähigkeitsbescheinigung
Wenn Leistungsempfänger einen Termin im Jobcenter nicht wahrnehmen können, müssen sie dies in der Regel mit einem wichtigen Grund nachweisen, um eine Kürzung der Bürgergeld-Leistungen zu vermeiden. Eine Krankheit stellt einen solchen wichtigen Grund dar. Üblicherweise verlangt das Jobcenter in solchen Fällen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt. In einigen Fällen wird zusätzlich eine sogenannte Wegeunfähigkeitsbescheinigung gefordert, die belegt, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, zum Termin zu erscheinen. Das Sozialgericht Hildesheim entschied jedoch, dass eine solche Forderung unzulässig ist (Urteil vom 14.07.2020, Az.: S 38 AS 1417/17).
Jobcenter in der Beweispflicht bei einer Einladung
Kürzung nach Terminversäumnis
Der Fall, der dem Urteil zugrunde liegt, ereignete sich im Raum Göttingen. Eine Leistungsempfängerin hatte einen Beratungstermin beim Jobcenter Hann.Münden nicht wahrgenommen. Daraufhin kürzte das Jobcenter ihren Regelsatz um 10 Prozent wegen eines Meldeversäumnisses. Die Frau erhob Widerspruch und argumentierte, dass sie ihrer Mitwirkungspflicht bereits durch das Schreiben von Bewerbungen in ausreichender Formnachgekommen sei und keine Notwendigkeit für die Sanktion bestehe.
Jobcenter fordert „Bettlägerigkeitsbescheinigung“
Das Jobcenter wies den Widerspruch allerdings zurück und erklärte, dass sich die Mitwirkungspflicht der Frau nicht allein durch das Schreiben von Bewerbungen erschöpfe. Ein Nichterscheinen zu dem Beratungstermin könne nur durch wichtige Gründe, wie etwa eine Krankheit, entschuldigt werden. Die Leistungsempfängerin habe jedoch die in der Rechtfolgenbelehrung geforderte Bettlägerigkeitsbescheinigung bei Terminversäumnissen im Krankheitsfall nicht vorgelegt. Diese sei grundsätzlich als „Nachweis dafür vorzulegen, mit der Ihr Arzt bestätigt, dass Sie aufgrund Ihrer Erkrankung nicht in der Lage waren, zum angegebenen Termin beim Leistungsträger zu erscheinen“, hieß es in der Belehrung, die mit der ursprünglichen Termineinladung bei der Frau einging.
Darf das Jobcenter eine Krankschreibung anzweifeln?
Gericht erklärt Belehrung für fehlerhaft
Die Leistungsempfängerin gab nicht auf und zog vor das Sozialgericht Hildesheim. Das Gericht entschied zugunsten der Klägerin. Es stellte fest, dass die Rechtsfolgenbelehrung falsch sei, da sie den Eindruck erwecke, eine Bettlägerigkeitsbescheinigung sei der einzige Weg, eine krankheitsbedingte Abwesenheit zu entschuldigen. Tatsächlich ist es nicht zwingend erforderlich, eine solche Bescheinigung vorzulegen. Der wichtige Grund muss objektiv bestehen und kann auch auf andere Weise nachgewiesen werden, beispielsweise durch Zeugenaussagen. Zudem betonte das Gericht, dass eine Sanktion gemäß § 32 SGB II nicht infrage komme, da die Einladung zu einer Maßnahme nicht mit einem Meldetermin gleichzusetzen sei. Allenfalls könnte eine Sanktion nach § 31 SGB II wegen einer Pflichtverletzung verhängt werden.
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